Ein froehliches Begraebnis
klar«, brummte Fima.
7
E r hatte trotz allem gehofft, der kluge Berman wüßte etwas, was er selbst vergessen hatte. Aber ein solches Wissen gab es nicht.
Vater Viktor kam gegen neun. Sandalen an den nackten Füßen und in einem sackartigen Hemd, das er in seine helle kurze Hose gestopft hatte. In der Hand trug er ein Diplomatenköfferchen und eine prallgefüllte Plastiktüte. Das Basecap mit den unschuldigen grünen Buchstaben N und Y nahm er ab, als er hereinkam, und balancierte es auf dem Ellenbogen. Er grüßte mit einem Lächeln, das seine kurze Nase in Falten legte.
Es war Sonnabend und die Gesellschaft deshalb zahlreich: Valentina, Joyka mit einem grauen Dostojewski-Band unterm Arm, Irina, T-Shirt, Faina, Libin mit Freundin – die üblichen Besucher; dazu noch die Schwestern Beginski aus Washington; der amerikanische Maler Rudy, mit dem Alik durch verschiedene gemeinsame Aktionen befreundet war; eine Besucherin aus Moskau, die niemand kannte und die sich so undeutlich vorgestellt hatte, daß keiner ihren Namen wußte; Schmul aus Odessa und der Hund Kipling, den eine alte Bekannte für ein paar Tage hiergelassen hatte.
Alik wurde aus dem Schlafzimmer getragen und in einen Sessel gesetzt, von allen Seiten mit Kissen gestützt. Das war sein Stammplatz. Alle schlenderten träge in der Wohnung umher, tranken ein bißchen und unterhielten sich laut. Auf dem Tisch stand, was die Besucher mitgebracht hatten: Eis und eine riesige Nußtorte schmolzen vor sich hin. Es sah eher nach einer Vernissage aus als nach Sterben.
Vater Viktor schien einen Augenblick verwirrt. Aber Nina nahm schnell seinen abgewinkelten Ellenbogen, auf dem noch immer das Basecap lag, und führte ihn zum Tisch.
»Heeerzchen, du sehnst dich ja so sehr nach Ruuuhe«, sang Schmul mit süßer Summe und übertönte damit stellenweise die indianischen Flöten und Trommeln, die unermüdlich von unten heraufdröhnten.
Faina hielt eine lange, schlaffe Stoffpuppe im Arm, die Alik darstellte. Diese prophetische Puppe hatte ihm seine Freundin Anka Krön, die inzwischen in Israel lebte, mal zum Geburtstag geschenkt. Alik sprach für die Puppe:
»Oh, drücken Sie mich nicht so heiß! Oh, Faina, sagen Sie mir bitte ganz aufrichtig, wie vor Gott: Haben Sie Knoblauch gegessen?«
Der Priester lächelte, nahm Faina die Puppe ab, schüttelte ihre rosige Hand und sagte:
»Ich bin sehr erfreut, Sie kennenzulernen.«
Alle lachten, und er warf die Puppe Faina auf den Schoß.
Nina nickte kurz; Schmul verstummte augen-blicklich, Libin hob Alik mühelos aus dem Sessel und trug ihn wie ein Kind ins Schlafzimmer.
Die Besucherin aus Moskau zuckte zusammen – das war schwer mit anzusehen. Überhaupt, solange Alik lag oder saß, war scheinbar alles ziemlich normal: ein Kranker im Kreise seiner Freunde. Aber der Wechsel von einer Lage in die andere erinnerte sofort daran, daß hier etwas Furchtbares geschah. Klare, lebendige Augen und ein lebloser Körper. . . Und im Frühjahr, hieß es, war er noch allein aus dem Schlafzimmer ins Atelier gelaufen.
Alik wurde ins Schlafzimmer gelegt, und Vater Viktor ging zu ihm. Nina stand eine Weile an der Tür, dann verließ sie das Schlafzimmer und setzte sich davor auf den Fußboden, den Rücken gegen die Tür gelehnt. Sie wirkte zugleich wachsam und entrückt. Sie war halb betrunken, hielt sich aber gut.
Wie dumm und lächerlich, dachte Alik. Er sieht ganz sympathisch aus, ich hätte mich nicht darauf einlassen sollen.
Vater Viktor setzte sich auf eine Fußbank am Bett, dicht neben Alik.
»Ich habe gewisse professionelle Schwierigkeiten«, begann er überraschend, »sehen Sie, die meisten Menschen, mit denen ich zu tun habe, die Mitglieder meiner Gemeinde, sind überzeugt, ich könne alle ihre Probleme lösen, und wenn ich das nicht tue, dann ausschließlich aus pädagogischen Erwägungen. Aber so ist es überhaupt nicht.« Er lächelte und entblößte dabei seinen fast zahnlosen Mund. Alik erkannte, daß auch der Priester die ganze dumme Peinlichkeit der Situation empfand, und verspürte eine gewisse Erleichterung.
Die Krankheit quälte Alik nicht mit Schmerzen. Er litt unter immer heftiger werdender Atemnot und dem unerträglichen Gefühl, sich aufzulösen. Mit dem Körpergewicht, mit dem lebendigen Fleisch der Muskeln verließ ihn das fühlbare Leben, und darum waren ihm die halbnackten Frauen so angenehm, die von früh bis spät an ihm hingen. Alik hatte lange keine neuen Gesichter um sich gesehen, und dieser Mann
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