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Ein froehliches Begraebnis

Ein froehliches Begraebnis

Titel: Ein froehliches Begraebnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ljudmila Ulitzkaja
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Idee der Opferung Christi, der als Hypostase des Allerhöchsten gilt, nicht der größte Triumph des Heidentums?«
    Er kaute auf seiner roten Lippe, sah Alik noch einmal aufmerksam an und sagte zum Schluß:
    »Meiner Ansicht nach sollten Sie lieber › gefangen ‹ bleiben. Ich versichere Ihnen, es gibt Dinge, die entscheiden wir Männer, nicht unsere Frauen. Etwas anderes kann ich Ihnen nicht sagen.«
    Reb Menasche erhob sich von der unbequemen Fußbank, und ihm wurde schwindlig. Er beugte sich von seiner stattlichen Höhe zu Alik hinunter und verabschiedete sich von ihm:
    »Ich sehe, Sie sind müde. Ruhen Sie sich aus.«
    Er murmelte noch ein paar Worte, die Alik nicht verstand. Sie waren in einer anderen Sprache.
    »Rabbi, warten Sie, ich wollte zum Abschied noch etwas mit Ihnen trinken«, hielt Alik ihn zurück.
    Libin und Rudy trugen Alik ins Atelier hinüber und setzten oder besser verfrachteten ihn in den Sessel.
    Ein Gelähmter, dachte Vater Viktor. Das Wunder ist so nahe. Schreien. Aufs Dach steigen und ihn hinablassen. . . Mein Gott, warum gelingt uns das nicht?
    Besonders traurig machte ihn, daß er genau wußte, warum.
    Ljowa wollte den Rabbi sofort von hier wegbringen. Doch Nina bot ihnen etwas zu trinken an.
    Ljowa lehnte entschieden ab, aber der Rabbi sagte etwas zu ihm, und Ljowa fragte Nina:
    »Haben Sie Wodka und Pappbecher?«
    »Ja«, sagte Nina erstaunt.
    »Gießen Sie uns welchen in Pappbecher«, bat er.
    Von der Straße wehte Musik herein wie Müllgestank. Außerdem war es heiß. Die auch nachts nicht nachlassende New Yorker Hitze verstärkte gegen Abend die Gereiztheit, und viele wurden bei diesem Wetter von Schlaflosigkeit geplagt, besonders Neuankömmlinge, deren Körper noch an ein anderes Klima gewöhnt war. Das traf auch auf den Rabbi zu; er war zwar an Hitze gewöhnt und vertrug sie auch, aber in Israel, jedenfalls dort, wo er seit einigen Jahren lebte, wurde die Hitze des Tages in der Nacht von Kühle abgelöst, und man konnte sich nachts von der Sonnenglut erholen.
    Nina brachte zwei Pappbecher und reichte sie den beiden Bärtigen.
    »Ich bringe Sie gleich zurück in die Jeschiwa«, sagte Ljowa zum Rabbi.
    »Ich habe es nicht eilig«, erwiderte der, denn er dachte an sein stickiges Zimmer im Wohnheim der Jeschiwa und das stundenlange vergebliche Warten auf den Schlaf.
    Alik lag im Sessel, und um ihn herum lärmten, lachten und tranken seine Freunde, scheinbar jeder für sich, doch sie alle waren ihm zugewandt, und er spürte das. Er genoß die Alltäglichkeit, und er, der ein Leben lang auf der Jagd nach Phantomen aus Form und Farbe gewesen war, wußte jetzt, daß es in seinem Leben nichts Besseres gegeben hatte als diese sinnlosen Gelage, die alle, die ihn besuchten, durch Wein, Fröhlichkeit und menschliche Wärme vereinten in diesem Atelier, wo es nicht einmal einen richtigen Tisch gab, nur eine zerkratzte Tischplatte auf zwei Holzböcken.
    Ljowa und der Rabbi saßen in wackligen Sesseln. Vor Jahren, als Alik sich hier einrichtete, waren die Müllkippen der Umgebung noch wahre Fundgruben: Sessel, Stühle, das kleine Sofa – alles stammte von dort. Gegenüber von Ljowa und Menasche hing ein großes Bild von Alik. Es war der Saal des Heiligen Abendmahls mit dem Dreibogenfenster und dem Tisch mit dem weißen Tischtuch. Niemand saß daran, dafür lagen auf dem Tisch zwölf große Granatäpfel, akribisch gemalt, mit rauher Oberfläche, lila, purpurrot und rosa schillernd, mit übergroßem gezackten Blütenansatz und plastischen Eindellungen, an denen die Struktur der Früchte erkennbar war, ihre vielen kleinen Zellen voller Kerne. Vor dem Fenster mit den drei Bögen lag das Heilige Land. So, wie es heute aussah, nicht wie in Leonardo da Vincis Phantasie.
    Der Rabbi, weder ein Kenner noch ein Freund der Malerei, starrte auf das Bild. Zuerst sah er die Granatäpfel. Es war ein alter Streit, welche Frucht Eva verführt hatte, Apfel, Pfirsich oder Granatapfel. Den Raum auf dem Bild kannte er auch. Dieser Saal lag genau über Davids Grab, in der Altstadt von Jerusalem.
    Trotz allem spricht aus ihm eine typisch jüdische Keuschheit, schloß er, während er das Bild betrachtete. Die Menschen hat er durch Granatäpfel ersetzt. Genau das ist der springende Punkt. Armer Kerl, dachte er traurig.
    Der Rabbi war ein echter Israeli, geboren zwei Tage nach der Proklamation des Staates. Sein Großvater war Zionist und Initiator einer der ersten landwirtschaftlichen Kolonien, sein Vater lebte für die

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