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Ein froehliches Begraebnis

Ein froehliches Begraebnis

Titel: Ein froehliches Begraebnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ljudmila Ulitzkaja
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alleinstehende Frau mit Kind. Und nicht so reich, wie die beiden glaubten. Ganz zu schweigen davon, wie sauer sie ihr Geld verdiente.
    Als Libin auf sie zukam, zückte sie schon ihr Scheckbuch. Die kleinen Summen wuchsen wie kleine Kinder, ganz unmerklich.

9
    D ie drei bärtigen Männer traten auf die Straße. Ljowa fühlte sich keineswegs betrunken, aber er konnte sich partout nicht erinnern, wo er sein Auto abgestellt hatte. Dort, wo er es vermutete, stand ein fremder Pontiac mit langem Heck.
    »Sie haben ihn abgeschleppt, abgeschleppt.« Vater Viktor lachte wie ein Kind, ohne jede Bosheit.
    »Hier ist doch kein Parkverbot, wieso abgeschleppt?« ereiferte sich Ljowa. »Bleiben Sie hier stehen, ich schau um die Ecke nach.«
    Der Rabbi zeigte nicht das geringste Interesse dafür, mit welchem Auto er nach Hause gefahren würde; viel mehr interessierte ihn, was der komische Mann mit dem Basecap redete.
    »Also, mit Ihrer Erlaubnis fahre ich fort. Das erste Experiment verlief, kann man sagen, erfolgreich. Die Diaspora war äußerst nützlich für die ganze Welt. Natürlich, ihr habt einen Rest bei euch dort gesammelt. Aber wie viele Juden sind assimiliert, sind in jedem Land vertreten in Kultur und Wissenschaft. Ich bin ja in gewisser Hinsicht judophil. Im übrigen schätzt jeder normale Christ das auserwählte Volk. Und wissen Sie, es ist ungeheuer wichtig, daß die Juden ihr wertvolles Blut an alle Kulturen, an alle Völker weitergeben, denn was vollzieht sich auf diese Weise? Ein weltweiter Prozeß! So sind die Russen aus ihrem Ghetto rausgekommen und auch die Chinesen. Sehen Sie sich nur die jungen amerikanischen Chinesen an, unter ihnen sind die besten Mathematiker und großartige Musiker. Und dann, die Mischehen! Verstehen Sie, was ich meine? Es entsteht ein neues Volk!«
    Der Rabbi verstand sehr wohl, was sein Opponent meinte, billigte aber dessen Idee ganz und gar nicht und bewegte mummelnd die Lippen.
    Drei Becher oder vier Becher, versuchte er sich zu erinnern. Wieviel auch immer, auf jeden Fall zuviel.
    »Das sind sie, die neuen Zeiten: Keine Juden mehr, keine Griechen, und das auch ganz buchstäblich, ganz buchstäblich«, freute sich der Priester.
    Der Rabbi blieb stehen und drohte ihm mit erhobenem Finger:
    »Ja, ja, für Sie ist die Hauptsache, keine Juden mehr. . .«
    Ljowa kam angefahren, öffnete die Wagentür, half seinem Rabbi beim Einsteigen und ließ mit brüskierender Unhöflichkeit Vater Viktor ganz allein auf der Straße stehen. Der war zutiefst enttäuscht:
    »Nein, wie er das verdreht hat, das habe ich doch gar nicht gemeint. . .«

10
    D ie Gäste waren zwar nicht alle gegangen, hatten sich aber irgendwie verkrümelt. Jemand übernachtete auf dem Teppich. Dort schlief auch Nina. Heute nacht war Valentina dran. Alik war gut und schnell eingeschlafen, und Valentina kauerte an seinem Fußende. Sie hätte auch ein bißchen schlafen können, aber wie zum Trotz kam der Schlaf nicht. Sie hatte schon lange festgestellt, daß Alkohol in letzter Zeit bei ihr eine seltsame Wirkung hatte: Er vertrieb den Schlaf.
    Valentina war im November einundachtzig nach Amerika gekommen. Sie war achtundzwanzig, eins fünfundsechzig groß und wog fünfundachtzig Kilo. Damals rechnete sie noch nicht in Pfund. Sie trug eine handgewebte, bestickte schwarze ukrainische Trachtenjacke. In ihrem karierten Stoffkoffer lagen ihre noch unverteidigte philologische Dissertation, mit der sie nie etwas anfangen konnte, ein komplettes Festgewand einer Wologdaer Bäuerin aus dem neunzehnten Jahrhundert und drei Antonäpfel, deren Einfuhr verboten war. Außerdem hatte sie einen amerikanischen Ehemann, der sie aus irgendeinem Grund nicht abholte. Für ihn waren die Antonäpfel, deren kräftiger Duft durch den schäbigen Koffer drang.
    Vor einer Woche hatte sie ihr Ticket nach New York abgeholt, ihren Mann angerufen und ihr Kommen angekündigt. Er hatte sich allem Anschein nach gefreut und versprochen, sie abzuholen. Ihre Ehe war eine Scheinehe, aber sie waren echte Freunde. Micky hatte ein Jahr in Rußland gelebt, wo er Material über den sowjetischen Film der dreißiger Jahre sammelte und krankhaft litt unter einem anstrengenden Verhältnis mit einem kleinen Scheusal, das ihn erniedrigte, ausraubte und ihn quälend eifersüchtig machte.
    Valentina lernte er in einer »angesagten« Sprachenschule kennen. Sie nahm ihn auf, flößte ihm Baldrian ein, fütterte ihn mit Pelmenis und bekam schließlich die erschütternde Beichte eines

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