Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Ganz Besonderer Fall

Ein Ganz Besonderer Fall

Titel: Ein Ganz Besonderer Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
Vom Netzwerk:
Leben und sein Werk können für ihn sprechen. Aber ich kann beschwören, daß auch er Euch seine besten Wünsche mit auf den Weg gibt.«
    Als das letzte Echo der leichten, energischen Schritte auf der Treppe verklungen war, wurde es still in der Zelle. Bruder Humilis lag reglos auf dem Bett und dachte, wie es den Anschein hatte, ruhige, zufriedene Gedanken, denn er lächelte.
    »Es gibt Dinge in meinem Leben, die ich dir noch nicht erzählt habe«, sagte er schließlich. »Dinge, die geschehen sind, bevor wir uns trafen. Es gibt aber nichts, was ich dir vorenthalten will. Das arme Mädchen! Was hatte sie schon von mir zu erwarten, der ich um so viele Jahre älter war als sie, selbst damals, als ich noch nicht verstümmelt war? Und ich hatte sie nur ein einziges Mal gesehen, ein kleines Mädchen mit braunem Haar und einem ernsten runden Gesicht. Ich verspürte erst mit dreißig Jahren das Verlangen nach Frau und Kindern, denn ein älterer Bruder setzte nach dem Tode unseres Vaters die Familienlinie fort. Ich nahm das Kreuz und rüstete eine Gesellschaft aus, die mit mir in den Osten ging. Wir waren frei wie der Wind, doch als dann mein Bruder starb, blieb es mir überlassen, einen Ausgleich zwischen meinem Gelübde für Gott und der Pflicht meinem Haus gegenüber zu finden. Ich hatte Gott geschworen, für zehn Jahre ins Heilige Land zu gehen, aber ich hatte auch meinem Haus geschworen, zu heiraten und Söhne zu zeugen. Also suchte ich ein kräftiges, passendes kleines Mädchen, das all die Jahre auf mich warten konnte und bei meiner Rückkehr fähig wäre, Kinder zu gebären.
    Kaum sechs Jahre alt war sie damals - Julian Cruce, aus einer Familie mit Gütern im Norden dieser Grafschaft und in Stafford.«
    Er regte sich und seufzte über die Torheiten der Menschen, über die anmaßenden Vereinbarungen, die sie für ein Leben trafen, das sie nie zu Ende lebten. Sein Gefährte kam näher, legte die Kapuze zurück und setzte sich auf den Stuhl, auf dem Nicholas gesessen hatte. Sie sahen sich tief in die Augen, ohne ein Wort zu sprechen; viel länger, als die meisten Menschen einander ansehen können, ohne den Blick abzuwenden.
    »Gott traf die Entscheidung, mein Sohn!« sagte Humilis. »Er hatte andere Pläne für mich gemacht. Ich wurde, was ich heute bin. Sie ist, was sie ist. Julian Cruce… ich bin froh, daß sie vor mir verschont blieb und jetzt einen besseren Mann bekommt.
    Ich bete darum, daß sie sich noch nicht versprochen hat, denn dieser Nicholas wäre ein guter Ehemann für sie. Mit ihm an ihrer Seite könnte meine Seele Frieden finden. Nur ihr gegenüber fühle ich mich schuldig und eidbrüchig.«
    Bruder Fidelis schüttelte mit einem vorwurfsvollen Lächeln den Kopf. Er beugte sich vor und legte einen Moment einen Finger auf die Lippen, die diese Häresie ausgesprochen hatten.
    Cadfael hatte Hugh am Torhaus zurückgelassen. Nun durchquerte er den großen Hof, um zu seinen Pflichten im Kräutergarten zurückzukehren. Doch Nicholas Harnage trat aus dem Bogen über der Treppe, erkannte ihn, rief ihn laut an und rannte zu ihm. Er zupfte ihn drängend am Ärmel.
    »Bruder, auf ein Wort!«
    Cadfael blieb stehen und wandte sich ihm zu. »Wie findet Ihr ihn? Der lange Ritt hat ihn übermäßig belastet, und er bat nicht einmal um Hilfe, als seine Wunde aufgebrochen war und eiterte, aber das ist überstanden. Alles ist gesäubert, versorgt und auf dem Wege der Heilung. Ihr braucht nicht zu fürchten, daß wir ihn ein zweites Mal so leiden lassen.«
    »Das glaube ich, Bruder«, erwiderte der junge Mann aufrichtig. »Aber ich habe ihn jetzt seit drei Jahren zum erstenmal gesehen, und selbst gegenüber dem Mann, der er war, nachdem er die Verletzungen bekam, ist er sehr verfallen.
    Ich wußte, daß sie schwer waren, er schwebte lange Zeit zwischen Leben und Tod, doch als er endlich zu uns zurückkehrte, sah er wenigstens wieder aus wie der Mann, den wir kannten und dem wir folgten. Er plante damals, heimzukehren, denn er hatte bereits mehr Jahre gedient, als er gelobt hatte; es wurde Zeit, sich um seine Ländereien und das Leben hier in der Heimat zu kümmern. Ich ging mit ihm auf die Reise, und er überstand sie gut. Aber jetzt ist er sehr vom Fleisch gefallen, und er wirkt müde, wenn er eine Hand bewegt.
    Sagt mir die Wahrheit, wie steht es um ihn?«
    »Wo hat er sich diese schlimmen Verletzungen zugezogen?« fragte Cadfael, während er überlegte, wieviel er verraten durfte; er glaubte, daß dieser Junge eingeweiht

Weitere Kostenlose Bücher