Ein Ganz Besonderer Fall
geboren wurde, so daß seine Freude an ihr nur kurz war.«
Wenigstens, dachte Nicholas, während er seinen Gastgeber gleichmütig betrachtete, gab es keinen zweiten Sohn, der ihm den Landbesitz streitig machte. Damit war dieser Mann sicherlich zufrieden, denn er war ein Musterbild seines Standes und seiner Art, und das Land war sein Herzblut.
»Allerdings hat er sicher große Freude an seiner Tochter gehabt«, sagte er fest, »denn sie ist ein sehr gutes und anmutiges Mädchen, wie ich mich wohl erinnere.«
»Ihr seid besser informiert als ich«, erwiderte Reginald trocken, »wenn Ihr sie erst vor drei Jahren gesehen habt. Ich glaube, es ist achtzehn Jahre her, seit ich sie zum letztenmal sah. Sie war damals noch ein tapsiges Kleinkind, höchstens zwei oder drei Jahre alt. Ich habe etwa zu dieser Zeit geheiratet und mich auf dem Land niedergelassen, das Cecilia in die Ehe brachte. Wir haben uns ab und zu Nachrichten geschickt, aber ich kehrte erst hierher zurück, als mein Vater im Sterben lag und mich rufen ließ.«
»Ich wußte noch nichts von seinem Tod, als ich mich in meinem eigenen Interesse auf den Weg machte«, erklärte Nicholas. »Ich hörte es vorhin erst von Eurem Burschen am Tor. Aber ich kann mit Euch so offen sprechen, wie ich mit ihm gesprochen hätte. Ich war so gebannt von der Anmut und Würde Eurer Schwester, daß ich seitdem immer an sie denken mußte. Ich habe mit meinem Herrn Godfrid gesprochen, der meine Bitte erfüllt hat. Und ich selbst«, fuhr er fort, indem er sich eifrig über die Tafel beugte, »ich bin der Erbe zweier schöner Anwesen meines Vaters, und ich werde auch einiges Land von meiner Mutter bekommen. Ich habe eine gute Stellung in der Armee der Königin, und mein Herr wird für mich sprechen, daß ich es in dieser Angelegenheit ernst meine und so gut für Julian sorgen werde, wie es ein Mann nur kann, wenn Ihr erlaubt…«
Sein Gastgeber starrte ihn erstaunt an, lächelte über seine Inbrunst und hob warnend eine Hand, um die Flut aufzuhalten.
»Seid Ihr von so weit hergekommen, um mich um die Hand meiner Schwester zu bitten?«
»Das bin ich! Ist das so seltsam? Ich habe sie bewundert und bin gekommen, weil ich um sie anhalten will. Sie könnte schlechtere Angebote erhalten«, fuhr er fort. Er errötete etwas und wurde angesichts der ablehnenden Aufnahme unsicher.
»Das bezweifle ich nicht, aber guter Mann, Ihr hättet ein Wort der Warnung verlauten lassen können. Nun kommt Ihr drei Jahre zu spät!«
»Zu spät?« Nicholas fuhr zurück und zog langsam und entsetzt die Hände an sich. »Dann ist sie schon verheiratet?«
»So könntet Ihr es nennen!« Reginald hob die breiten Schultern in einer hilflosen Geste. »Aber nicht mit einem sterblichen Mann. Und soweit ich es sagen kann, hättet Ihr diese Wendung wohl verhindern können, wenn Ihr schnell genug gewesen wärt. Nein, es ist etwas anderes. Es gab einiges Hin und Her, zum Beispiel, ob sie immer noch wie eine Frau an Marescot gebunden sei, was ich für eine Dummheit hielt. Aber die Kirchenmänner müssen immer ihre Autorität unter Beweis stellen, und der Kaplan meines Vaters war penibel wie eine alte Jungfer - wenn ich auch vermute, daß er insgeheim alles andere war! Jedenfalls klammerte er sich an jeden Punkt des kanonischen Rechts, der ihm Macht gab, und nahm eine extreme Haltung ein. Er meinte, sie wäre von Rechts wegen eine Ehefrau. Der Gemeindepriester behauptete aber das genaue Gegenteil, und da mein Vater ein vernünftiger Mann war, schloß er sich seinem Standpunkt an und erklärte, daß sie frei sei. All dies erfuhr ich erst nach und nach. Ich habe nie selbst den Kopf in dieses Hornissennest gesteckt.«
Nicholas hatte stirnrunzelnd den Kopf auf die Hände gestützt und spürte die kalte Enttäuschung schwer an seinem Herzen zerren. Dennoch war die Antwort noch nicht vollständig. Er blickte traurig auf. »Wie ging es dann aus? Warum ist sie nicht hier und kann ihre Freiheit nutzen, wenn sie sich keinem anderen Mann gegeben hat?«
»Ah, aber das hat sie! Sie tat es auf ihre eigene Weise. Sie sagte, wenn sie frei sei, dann könne sie auch selbst entscheiden. Und sie entschied sich, das gleiche zu tun wie Marescot und nahm einen zum Mann, der nicht von dieser Welt ist. Sie trägt den Schleier einer Benediktinernonne.«
»Und man hat sie gelassen?« fragte Nicholas, der zwischen Zorn und Qual schwankte. »Warum, wenn sie durch diese zerbrochene Verbindung bewegt wurde, hat man sie so einfach gehen und ihre
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