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Ein Ganz Besonderer Fall

Ein Ganz Besonderer Fall

Titel: Ein Ganz Besonderer Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Wort und ohne Blick zurück, durchs Torhaus hinaus. Sie starrten ihm nach, während sich draußen, wo das Pflaster endete und die flachgetretene Erde der Vorstadt begann, der schimmernde, leichte Staub im Torbogen langsam wieder setzte.
    Cadfael hatte den Eindruck, daß Humilis den ganzen Tag über seine Kräfte bis aufs äußerste beanspruchte, als forderte Nicholas’ eilige Reise nach Süden auch hier, in der erzwungenen Stille und Untätigkeit, ihren Tribut, während das Herz lieber mit dem jungen Mann geritten wäre, um welchen Preis auch immer. Und den ganzen Tag über bedachte Fidelis, der nun sogar Rhun vernachlässigte, Humilis mit ganz besonderer, bekümmerter Aufmerksamkeit, Zärtlichkeit und Ängstlichkeit, als hätte er gerade erst bemerkt, daß der Tod schon in der Nähe bereitstand und mit jeder Stunde, die verstrich, einen kleinen Schritt näherrückte.
    Humilis ging sofort nach der Komplet zu Bett, und Cadfael, der zehn Minuten später nach ihm sah, fand ihn schon schlafend vor und störte seine Ruhe nicht. Nicht die eiternde Wunde und der verstümmelte Körper quälten Humilis jetzt, sondern ein unklares Gefühl von Schuld dem Mädchen gegenüber. Hätte er sie geheiratet, würde sie jetzt irgendwo auf einem Gut, weit entfernt von Winchester und Wherwell und dem Waffenhandel, sicher auf einer Burg sitzen, statt von Feuer und Gemetzel aus dem selbst erwählten Kloster vertrieben zu werden. Der Schlaf konnte diesem bekümmerten Geist mehr helfen als der Wechsel eines Verbandes seinem Körper. Im Schlaf zeigte er die priesterliche Ruhe einer geschnitzten Figur auf einem Grabstein. Er schlief friedlich. Cadfael zog sich still zurück und ließ ihn, wie Fidelis es wohl auch getan hatte, allein ruhen.
    Im süß duftenden Zwielicht machte Cadfael wie gewohnt seinen abendlichen Rundgang durch seine Hütte, um sich zu vergewissern, daß alles an seinem Platz war und um noch ein Gebräu umzurühren, das über Nacht abkühlen sollte.
    Manchmal, wenn die Abende nach der Tageshitze eine Erfrischung boten, wenn der Himmel voller Sterne und unglaublich hoch war, wenn nach dem Schwinden des Tageslichtes jede Blume und jedes Blatt von innen heraus in prächtigen Farben zu strahlen schien, da kam es ihm wie eine Verschwendung der Gaben Gottes vor, ins Bett zu gehen und das Auge vor diesen Wundern zu verschließen. Es hatte früher hin und wieder unerlaubte nächtliche Ausflüge gegeben - aus guten Gründen, wie er selbst überzeugt war, doch hütete er sich davor, allzu tief zu blicken. Hugh hatte bei diesen Angelegenheiten oft eine Rolle gespielt. Nun gut!
    Er trennte sich widerstrebend von seinem Reich und ging durch die Kirche zur Nachttreppe. Die Konturen im weiten Steinschiff waren im Licht der kleinen Altarlampen nur undeutlich zu sehen. Cadfael ging niemals durch die Kirche, ohne einen Augenblick ins Chorgestühl zu treten und St.
    Winifreds Altar einen Moment der Stille und ein kleines Gebet zu widmen und sich liebevoll an ihre erste Begegnung und dankbar an die Vergebung der Heiligen zu erinnern. Er wollte es auch an diesem Abend so halten, doch dann blieb er abrupt stehen. Einer der Brüder kniete vor dem Altar, und die winzige, rötlich glühende Lampe zeigte Cadfael das gehobene Gesicht, die fest geschlossenen Augen und die im Gebet gefalteten Hände von Fidelis. Und ebenso deutlich sah Cadfael, als er sich ihm vorsichtig näherte, die Tränen, die auf den Wangen des jungen Mannes glitzerten. Sein Gesicht war völlig ruhig, doch die stummen Lippen bewegten sich lautlos im Gebet, und die Tränen quollen zwischen den geschlossenen Lidern hervor und fielen auf seine Brust. Die Schrecken des Tages mochten ihn hergetrieben haben, da nun sein Schutzbefohlener wohlbehalten schlief, um einige inbrünstige Gebete für einen guten Ausgang der Geschichte zu sprechen. Aber warum wirkte sein Gesicht eher wie das eines Büßers und nicht wie das Antlitz eines unschuldig Bittenden? Eines Büßers, der sich der Absolution ganz und gar nicht sicher war!
    Cadfael glitt still zur Nachttreppe und überließ den Jungen im Schütze der Kirche seinem unerklärlichen Schmerz.
    Die zweite Gestalt, die reglos in der dunkelsten Ecke des Chorgestühls gewartet hatte, regte sich erst, als Cadfael gegangen war, und nachdem einige lange Augenblicke verstrichen waren. Nun schlich sie mit angehaltenem Atem Stück um Stück auf dem kalten Pflaster vor.
    Ein nackter Fuß berührte den Saum von Fidelis’ Kutte und wurde hastig und

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