Ein ganz besonderer Sommer
Gesicht geschlungen waren. Im Gürtel hingen Furcht erregende Krummsäbel.
„Ich habe den Eindringling gesehen! Dorthin ist er geflüchtet!“, rief der Erste der Ritter, umkreiste die beiden anderen und wies in die Richtung, in der Max und sein Pony verschwunden waren.
„Ihm nach!“, brüllte der zweite und schwang drohend seinen Säbel. „Er darf nicht entkommen!“
Dröhnende Musik begleitete ihren Ritt und steigerte sich mit jeder Minute. Im Halbdunkel veränderte sich die Dekoration, Büsche und Bäume wechselten den Platz, auch in der Manege gab es eine Verwandlung. Von oben her senkten sich breite Streifen Gaze herunter, die mit Bäumen oder Büschen bemalt waren. Sie behinderten nicht die Sicht und verstärkten doch die Illusion eines undurchdringlichen Waldes. Auf dem Bühnenhintergrund sah man jetzt über der finsteren Waldlandschaft in der Ferne das Schloss der Feenkönigin. Das Musical näherte sich seinem dramatischen Höhepunkt.
Billes und Zottels Aufgabe beschränkte sich darauf, im Galopp Bühne und Manege auf der Flucht vor den schwarzen Rittern zu durchqueren, mal auf gerader Strecke, mal in Schlangenlinien um die Hindernisse herum, dann wieder mit einem kurzen Stopp, bei dem Max sich hastig nach dem richtigen Weg Umsehen musste. Waren sie hinter der Bühne verschwunden, folgten die Ritter mit Kampfgeschrei und drohend geschwungenen Säbeln ihren Spuren.
Über mehrere Runden zog sich die Verfolgungsjagd hin. Zottel erinnerte sich spätestens bei der zweiten, was sie in der Probe einstudiert hatten und was jetzt von ihm erwartet wurde. Er begann, sich bei dem Spiel nebenher ein wenig im Publikum umzusehen. Dabei entging ihm nicht, dass in der ersten Reihe eine dicke Dame saß, die mit weit aufgerissenen Augen dem Geschehen folgte und dabei immer wieder in eine große Tüte mit Schokoladenkeksen griff, von denen sie sich einen nach dem anderen in den Mund stopfte. Die Kekse dufteten köstlich. Ein kleiner Umweg dicht an der Dicken vorbei würde das Spiel nicht aufhalten.
Wieder trabten sie hinter der Bühne zu ihrem Auftritt, wieder galoppierte Bille an und lenkte ihn in die Manege hinein, wo sie in einer einfachen Schlangenlinie zwischen den hängenden Baumattrappen hindurchreiten mussten.
Und da passierte es. Zottel brach so unerwartet nach rechts aus, dass Bille, die auf der bunten Flickendecke nicht den gewohnten Halt hatte, schwungvoll im Sand der Manege landete, während Zottel nur zwei Sekunden benötigte, um der Dicken die Kekstüte aus der Hand zu winden.
Bille wurde es für einen Augenblick eiskalt vor Entsetzen. Doch dann brach im Publikum erst zögernd, dann immer heftiger begeistertes Gelächter aus. Einige applaudierten. Allerdings überdeckte die Musik, die aus den Lautsprechern dröhnte, auch die heftigsten Heiterkeitsbezeugungen. Bille fing sich schnell. Gleich mussten die schwarzen Ritter auftauchen, sie konnten von ihrem Startpunkt hinter der Bühne aus unmöglich gesehen haben, was passiert war. Ritt sie jetzt weiter, würde sie unweigerlich mit den drei Reitern auf der Bühne Zusammentreffen. Also gab es nur eines: sich verstecken.
Bille sah sich um. Wenn sie Zottel unauffällig zwei, drei Schritte rückwärts bewegte, würden die Ritter sie nicht entdecken können. Blieb noch das Problem mit der Tüte, die Zottel zwischen den Zähnen hielt und freiwillig nicht hergeben würde. Ihm gut zuzureden war unmöglich, über die Lautsprecher hätte man es bis in den letzten Winkel gehört. Riss sie ihm die Tüte weg, würde die kaputtgehen, die Kekse in alle Richtungen fliegen und Zottel würde nicht eher ruhen, bis er jeden Einzelnen entsorgt hätte. Zu ihrer Erleichterung winkte ihr jetzt die Besitzerin der Tüte fröhlich zu und machte ein Zeichen, dass Zottel sie behalten dürfe.
Bille nickte ihr dankbar zu. Und während sie Zottel mit sanfter Gewalt rückwärts schob, kam ihr ein genialer Einfall: Sie musste das Missgeschick in ihr Spiel einbauen!
Als sie die gewünschte Position erreicht hatten, duckte sie sich und schaute einmal rechts, einmal links, ob die Ritter zu sehen waren. Darauf griff sie hoch erfreut nach der Tüte, rieb sich den runden Bauch, hüpfte vor Freude und gab Zottel zu verstehen, welch eine tolle Beute er da gemacht hatte. Dann teilte sie sich den Inhalt mit ihm. Gleich darauf galoppierten auf der Bühne die drei schwarzen Reiter vorbei. Max stieß Findegut an und zeigte in ihre Richtung. „Reingelegt!“, rief er. „Die können uns lange
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