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Ein ganz besonderer Sommer

Ein ganz besonderer Sommer

Titel: Ein ganz besonderer Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Caspari
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an. „ Dzien dobri . . .“ Bille hatte die schwierigen Worte lange geübt, aber so richtig wollten sie ihr noch nicht über die Lippen. „Guten Morgen! Entschuldigung, ich bin ein bisschen spät dran. Ich bin Bille Abromeit“, begrüßte sie die Frau. Die junge Polin war ihr sofort sympathisch.
    „Und ich bin Hanna, Ihre Reiseleiterin. Es freut mich, Sie kennen zu lernen.“ Sie gab Bille die Hand, wartete ab, bis sie ihren Platz eingenommen hatte und begann, die Reiseteilnehmer abzuzählen.
    „Alle da, wir können los.“ Hanna sprach fließend Deutsch, nur die Sprachmelodie ließ erkennen, dass sie aus einem östlichen Land stammte. „So, meine Damen und Herren, ich möchte Sie in unserem schönen Land Polen sehr herzlich willkommen heißen. Erst mal will ich mich vorstellen: Ich bin Hanna, Kunststudentin aus Warschau; zwischendurch arbeite ich als Dolmetscherin und Reiseleiterin. Ich werde Sie in dieser Woche begleiten und versuchen, Ihnen so viel wie möglich an Sehenswertem zu zeigen und Wissenswertes zu vermitteln. Und dann möchte ich Ihnen auch unseren Busfahrer vorstellen, Wladek , er stammt aus Danzig, wo wir morgen sein werden. Er wird uns in dieser Woche zu den interessantesten Plätzen im früheren West- und Ostpreußen fahren. Wladek spricht nur wenig Deutsch, aber ich werde gern übersetzen, wenn jemand eine Frage an ihn hat.“
    Bille reckte den Hals. In der Eile hatte sie völlig übersehen, dass der flotte Harry inzwischen abgelöst worden war. Jetzt freute sie sich noch mehr auf die Reise. Mit der netten Hanna und einem schweigsamen Fahrer musste das Unternehmen ein Vergnügen werden, auch wenn das Wetter noch keine Anzeichen von Besserung zeigte. Aber erst einmal saßen sie geschützt im Warmen, die großen Fenster boten eine gute Sicht, und auf dem Programm stand eine Stadtrundfahrt zu den wichtigsten Punkten.
    Eigentlich sah alles ganz vertraut aus. Die breiten Straßen mit dem lebhaften Autoverkehr hätten in jeder deutschen Großstadt nicht anders ausgesehen. Es gab schöne Alleen mit alten Bäumen, deren Häuser noch aus dem vor-letztenjahrhundert stammten. Die meisten Straßen liefen sternförmig auf runde Plätze zu. Die geräumigen Villen waren von Gärten umgeben, alles sah liebevoll gepflegt aus. Es musste schön sein, in so einem Haus zu wohnen.
    „Das ist nicht dieselbe Stadt!“, murmelte Mutsch neben ihr.
    „Was hast du gesagt?“
    „Das kann unmöglich die Stadt sein, an die ich mich erinnere“, erklärte Mutsch. „Damals war Stettin ein Albtraum für mich. Ich habe nur geweint. Dein Großvater hatte beschlossen, deine Großmutter und mich mit dem Zug in den Westen zu schicken, da er fürchtete, wir würden es mit dem Treck nicht rechtzeitig schaffen. Er fuhr uns zum Bahnhof, durch eine Hölle von zerstörten oder brennenden Häusern. Eine tote Stadt . . . Dann standen wir auf dem Bahnhof, stundenlang in der eisigen Kälte mit den vielen Menschen. Und als der Zug endlich kam, war er schon überfüllt. Irgendwer hat uns geholfen, uns doch noch mit hineinzudrängen, ich bekam keine Luft zwischen all den Erwachsenen, ich dachte, ich müsste ersticken. Wir hatten Hunger und entsetzlichen Durst . . . Ich weiß nicht, wie wir das damals überstanden haben.“
    „Aber du hast es überstanden“, Bille schmiegte sich an ihre Mutter, „du hast eine neue Heimat gefunden und später Papa geheiratet, und nach seinem Tod schließlich in Onkel Paul einen wunderbaren Lebenspartner gefunden. Und du hast erst Inge und später mich auf die Welt gebracht“, versuchte Bille die Mutter von ihren trüben Erinnerungen abzulenken.
    „Ja.“ Mutsch atmete tief durch. „Und ich bin froh, dass Szcecin , wie sie jetzt heißt, eine so schöne, lebendige Stadt geworden ist, deren Kinder nicht mehr wissen, wie es damals war.“
    Der Bus fuhr inzwischen ins Hafengebiet ein, der Regen hatte sich für eine Weile verabschiedet, die Sonne kam heraus, und ein scharfer Wind trieb dicke Wolkengebirge über den Himmel. Sie stiegen aus und kletterten eine breite Treppe hinauf zu einem Aussichtspunkt, den Hakeschen Terrassen, wie Hanna erklärte, von denen aus man über die Oder auf die Werftanlagen am anderen Ufer schauen konnte. Gerade so lange, wie die Fotografen und Videofilmer unter den Reisegästen brauchten, um ihre Aufnahmen zu machen, ließ sich die Sonne sehen. Kaum saßen sie wieder im Bus, prasselte der Regen von neuem los.
    Stolp , Köslin, Danzig hießen die Tagesziele. Bille starrte in den

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