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Ein ganzes halbes Jahr

Ein ganzes halbes Jahr

Titel: Ein ganzes halbes Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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Möglichkeiten!
    Sootagirl schrieb:
Stell unbedingt ein paar Bilder von ihm in dem Bungee-Geschirr in das Forum. Ich liebe den Blick der Typen, wenn sie kopfüber runterhängen!
    Ich hätte sie alle vor Dankbarkeit umarmen können – diese Tetraplegiker und ihre Pflegekräfte – für ihren Mut und ihre Unterstützung und ihre Phantasie. Ich verbrachte an diesem Abend zwei Stunden damit, ihre Vorschläge aufzuschreiben, den Links zu folgen, und ich korrespondierte sogar mit ein paar von ihnen in den Chatrooms. Als ich aus der Bibliothek ging, hatte ich ein Ziel ausgesucht. Wir würden nach Kalifornien fahren, auf die Four Winds Ranch. Dort war man laut der Website darauf spezialisiert, professionelle Hilfe auf eine Weise zu leisten, ‹die Sie vergessen lassen wird, dass Sie überhaupt Hilfe brauchen›. Die Ranch, ein niedriges Backsteingebäude auf einer Waldlichtung in der Nähe des Yosemite-Nationalparks, war von einem ehemaligen Stuntman aufgebaut worden, der sich von seiner Rückenmarksverletzung seinen Aktionsradius nicht einschränken lassen wollte, und das Online-Gästebuch war voller Einträge von glücklichen und dankbaren Besuchern, die schworen, dass sie nach ihrem Aufenthalt bei ihm ihre Behinderung und sich selbst mit ganz anderen Augen sahen. Wenigstens sechs der Chatroom-Teilnehmer waren schon dort gewesen, und alle sagten, diese Ranch hätte ihr Leben umgekrempelt.
    Die Ranch war behindertengerecht, bot jedoch auch alles, was man von einem Luxushotel erwartete. Es gab in den Boden eingelassene Open-Air-Badestellen mit diskreten Betreuern und Masseuren mit Spezialausbildung. Es gab erfahrenes medizinisches Personal und ein Kino mit genügend Plätzen für Rollstühle neben den normalen Sitzen. Es gab einen Whirlpool, von dem aus man die Sterne betrachten konnte. Dort würden wir eine Woche verbringen und dann ein paar Tage an der Küste in einem Hotelkomplex, in dem Will schwimmen und den Ausblick auf die schroffe Küstenlinie genießen konnte. Und das Beste: Ich hatte einen Höhepunkt entdeckt, der Will diese Reise unvergesslich machen würde – einen Fallschirmsprung mit der Hilfe von Fallschirmspringerlehrern, die dazu ausgebildet waren, mit Tetraplegikern zu springen. Sie hatten eine spezielle Ausrüstung, mit der sie Will an sich festschnallten (anscheinend war das Wichtigste dabei, dass die Beine gesichert wurden, damit die Knie nicht hochflogen und den Springern ins Gesicht knallten).
    Ich würde ihm den Hotelprospekt zeigen, aber von dem Sprung würde ich ihm nichts sagen. Ich würde einfach mit ihm hinfahren und ihm dann dabei zusehen. Für diese wenigen, kostbaren Minuten wäre Will schwerelos und frei. Er würde dem verhassten Stuhl entkommen. Er würde der Schwerkraft entkommen.
    Ich druckte sämtliche Informationen aus und legte das Blatt mit dem Fallschirmsprung ganz oben auf den Stapel. Jedes Mal, wenn ich es ansah, spürte ich, wie die Begeisterung in mir aufkeimte – sowohl bei dem Gedanken an meine erste Fernreise, aber auch bei der Vorstellung, dass ich damit mein Ziel erreichen könnte.
    Dies konnte die Sache sein, von der sich Will umstimmen ließ.

    Am nächsten Morgen erzählte ich Nathan von meinem Plan. Wir steckten über unseren Kaffeetassen in der Küche die Köpfe zusammen, als würden wir einen Bankraub planen. Er blätterte durch die ausgedruckten Seiten.
    «Ich habe mit den anderen Tetraplegikern über den Fallschirmsprung geredet. Es gibt keinen medizinischen Grund, aus dem er es nicht machen kann. Und das Bungee-Jumping. Sie haben ein spezielles Geschirr, um sein Rückgrat vor möglichen Zug- oder Druckkräften zu schützen.»
    Aufgeregt musterte ich sein Gesicht. Ich wusste, dass Nathan meine Fähigkeiten nicht besonders hoch einschätzte, wenn es um Wills medizinische Erfordernisse ging. Es war wichtig für mich, dass Nathan mit dem einverstanden war, was ich plante.
    «Auf dieser Ranch gibt es alles, was wir möglicherweise brauchen könnten. Sie sagen, wenn wir ihnen vorher ein Rezept schicken, können sie jedes Generikum besorgen, das wir vielleicht benötigen, sodass uns auf keinen Fall die Medikamente ausgehen.»
    Er runzelte die Stirn. «Sieht gut aus», sagte er schließlich. «Das haben Sie super gemacht.»
    «Glauben Sie, der Vorschlag gefällt ihm?»
    Er zuckte mit den Schultern. «Keine Ahnung. Aber …», er gab mir die Ausdrucke zurück, «… Sie haben uns schon ein paarmal überrascht, Lou.» Ein verschmitztes Lächeln kroch über sein Gesicht.

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