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Ein ganzes halbes Jahr

Ein ganzes halbes Jahr

Titel: Ein ganzes halbes Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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anfängt zu begreifen, was er für Möglichkeiten hat. Du hast keine Ahnung, wie glücklich mich das gemacht hat. Ich will nicht, dass du an mich gefesselt bist, an meine Krankenhaustermine, an die Einschränkungen meines Lebens. Ich will nicht, dass du alles auslässt, was dir jemand anderes bieten könnte. Abgesehen davon bin ich auch egoistisch. Ich will nicht, dass du mich eines Tages ansiehst und ich in deinem Blick auch nur einen Hauch von Mitleid oder Bedauern darüber lese, dass du …»
    «Das würde nie passieren!»
    «Das weißt du nicht, Clark. Du hast keine Ahnung, wie es laufen würde. Du hast keine Ahnung, wie deine Gefühle in einem halben Jahr sind. Und ich will dich nicht jeden Tag vor Augen haben, dich nackt sehen, dich in deinen verrückten Klamotten im Anbau herumlaufen sehen, und nicht … nicht in der Lage sein, das zu tun, was ich mit dir tun möchte. Oh, Clark, wenn du nur die geringste Vorstellung davon hättest, was ich genau jetzt am liebsten mit dir tun würde. Und ich … ich kann mit diesem Bewusstsein nicht leben. Ich kann es nicht. Das bin nicht ich. Ich bin kein Mann, der einfach … sein Schicksal hinnehmen kann.»
    Er sah kurz auf seinen Stuhl hinunter und sagte mit brechender Stimme: «Ich werde das niemals hinnehmen.»
    Ich hatte angefangen zu weinen. «Bitte, Will. Bitte, sag das nicht. Gib mir eine Chance. Gib uns eine Chance.»
    «Hör mir zu. Vor allem du sollst mir zuhören. Das … heute Nacht … war das Wundervollste, was du für mich hast tun können. Was du mir gesagt hast, was du für mich getan hast, indem du mich hierhergebracht hast … und dass du es geschafft hast, in diesem kompletten Arschloch, das ich am Anfang war, etwas zu entdecken, das man lieben kann, fasse ich immer noch nicht. Aber …», ich spürte den schwachen Druck seiner Finger um meine, «… ich kann nicht mehr. Kein Rollstuhl mehr. Keine Lungenentzündung. Kein Brennen mehr in allen Gliedern. Keine Schmerzen und keine Müdigkeit mehr und kein Aufwachen jeden Morgen mit dem Wunsch, der Tag wäre schon vorbei. Wenn wir zurückkommen, werde ich trotzdem in die Schweiz fahren. Und wenn du mich so liebst, Clark, wie du sagst, dann würdest du mich mit einem glücklicher machen als mit allem anderen – wenn du mit mir dorthin gehst.»
    Mein Kopf fuhr zurück.
    «Was?»
    «Es wird mir nie mehr besser gehen. Stattdessen wird es aller Wahrscheinlichkeit nach immer schlechter werden, und mein Leben, das schon beschränkt genug ist, wird noch weiter schrumpfen. Mir stehen massenweise Erkrankungen bevor. Ich spüre schon, dass sie kommen. Ich will keine Schmerzen und Ängste mehr haben oder in diesem Ding gefangen sein oder ständig von jemandem abhängig. Also bitte ich dich – wenn du wirklich diese Gefühle für mich hast –, mach es. Bleib bei mir. Begleite mich bis zu dem Ende, das ich mir wünsche.»
    Entsetzt starrte ich ihn an, das Blut rauschte in meinen Ohren. Ich konnte es kaum fassen.
    «Wie kannst du mich um so etwas bitten?»
    «Ich weiß, dass es …»
    «Ich sage dir, dass ich dich liebe und eine Zukunft mit dir aufbauen will, und du bittest mich mitzukommen, um mir anzusehen, wie du dich umbringst?»
    «Es tut mir leid. Ich wollte nicht, dass es so brutal klingt. Aber ich habe nicht den Luxus von viel Zeit.»
    «Was? … Hast du dich womöglich schon eingebucht? Hast du einen Termin, den du nicht verpassen willst?»
    Ich sah, dass auf dem Weg zum Hotel Leute stehen blieben. Vielleicht hatten sie unsere erhobenen Stimmen gehört, aber das war mir egal.
    «Ja», sagte Will nach einer kurzen Pause. «Ja, ich habe einen Termin. Ich habe alle Beratungsgespräche geführt. Die Klinik hat erklärt, dass ich ein passender Fall für sie bin. Und meine Eltern haben sich mit dem 13. August einverstanden erklärt. Der Flug ist am Vortag.»
    In meinem Kopf begann sich alles zu drehen. Es war nicht einmal mehr eine Woche bis dahin.
    «Das glaube ich einfach nicht.»
    «Louisa …»
    «Ich dachte, … ich dachte, ich hätte dich umgestimmt.»
    Er legte den Kopf schräg und sah mich an. Seine Stimme war sanft, sein Blick zärtlich. «Louisa, nichts hätte mich jemals umstimmen können. Ich habe meinen Eltern sechs Monate versprochen, und die haben sie von mir bekommen. Du hast diese Zeit für mich wertvoller gemacht, als du dir vorstellen kannst. Du hast verhindert, dass sie ein bloßer Ausdauertest …»
    «Hör auf!»
    «Wie bitte?»
    «Sag kein Wort mehr.» Ich schluchzte. «Du bist

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