Ein ganzes halbes Jahr
mehr.»
«Klar würdest du Sex haben. Bloß müsste die Frau oben liegen.»
«Das wäre dann also für uns abgehakt.»
«Sehr lustig.»
«Außerdem, wenn du vom Hals abwärts gelähmt bist, glaube ich nicht, dass … die Ausrüstung noch funktioniert, wie sie soll.»
Ich dachte an Alicia. Ich habe es versucht , hatte sie gesagt. Ich habe es wirklich versucht. Monatelang.
«Bei manchen geht es bestimmt noch. Abgesehen davon muss es ja wohl auch andere Möglichkeiten geben, wenn man … ein bisschen Phantasie entwickelt.»
«Hah.» Patrick trank ein Schlückchen Wasser. «Du kannst ihn ja morgen mal fragen. Und weißt du was? Du hast doch gesagt, er ist furchtbar. Vielleicht war er ja schon vor seinem Unfall ein furchtbarer Typ. Vielleicht ist das der wahre Grund, warum sie ihn hat sitzenlassen. Hast du darüber schon mal nachgedacht?»
«Ich weiß nicht …» Ich sah das Foto vor mir. «Sie haben sehr glücklich miteinander ausgesehen.» Andererseits, was konnte ein Foto schon beweisen? Ich hatte selbst ein gerahmtes Foto zu Hause, auf dem ich Patrick anstrahlte, als hätte er mich gerade aus einem brennenden Haus gerettet, aber in Wahrheit hatte ich ihn gerade «verdammter Blödmann!» genannt, worauf er mit einem tiefempfundenen «Ach, verpiss dich!» reagiert hatte.
Patrick verlor das Interesse. «Hey, Jim … Jim, hast du dir dieses neue Leichtmetall-Rennrad mal angesehen? Lohnt sich das?»
Ich ließ ihn das Thema wechseln, während ich über das nachdachte, was Alicia gesagt hatte. Ich konnte mir sehr gut vorstellen, dass Will sie weggestoßen hatte. Aber wenn man jemanden liebte, gehörte es doch dazu, bei ihm zu bleiben, oder? Ihm durch die depressiven Phasen zu helfen. In guten und in schlechten Tagen, hieß es doch.
«Noch etwas zu trinken?», fragte Patrick.
«Wodka Tonic. Mit kalorienreduziertem Tonic», sagte ich, als er die Augenbraue hob.
Patrick zuckte mit den Schultern und ging zum Tresen.
Ich fühlte mich nicht ganz wohl mit der Art, in der wir über meinen Arbeitgeber gesprochen hatten. Besonders, als mir klar wurde, dass Will so etwas vermutlich die ganze Zeit ertragen musste. Es war schließlich beinahe unmöglich, nicht über die intimeren Aspekte seines Lebens zu spekulieren. Ich hing meinen Gedanken nach. Sie redeten jetzt über ein Trainingswochenende in Spanien. Ich hörte nur mit halbem Ohr zu, bis Patrick wieder neben mir auftauchte und mich anschubste.
«Lust drauf?»
«Auf was?»
«Ein Wochenende in Spanien. Statt des Griechenland-Urlaubs. Du könntest am Pool die Füße hochlegen, falls du nicht auf eine Vierzig-Meilen-Radstrecke stehst. Es gibt bestimmt billige Flüge. Es sind noch sechs Wochen. Wo du doch jetzt so viel Geld scheffelst.»
Ich dachte an Mrs. Traynor. «Ich weiß nicht … Ich bin nicht sicher, ob sie es gut finden, wenn ich mir so schnell freinehme.»
«Macht’s dir dann was aus, wenn ich allein fahre? Ich habe echt Lust auf ein bisschen Höhentraining. Ich glaube, ich mache den großen mit.»
«Den großen was?»
«Triathlon. Den Xtreme Viking . Sechzig Meilen mit dem Rad, dreißig Meilen laufen und dann ein hübsches, langes Bad in eisigen Nordmeeren.»
Über den Viking wurde nur mit Ehrfurcht gesprochen. Wer daran teilgenommen hatte, trug seine Verletzungen stolz wie ein Veteran aus einem fernen und besonders gnadenlosen Krieg. Patrick leckte sich vor lauter Vorfreude beinahe über die Lippen. Ich betrachtete meinen Freund und fragte mich, ob er in Wahrheit ein Außerirdischer war. Kurz ging mir durch den Kopf, dass er mir lieber gewesen war, als er noch Fernseher verkauft hatte und nicht an einer Tankstelle vorbeikommen konnte, ohne anzuhalten und seinen Mars-Riegel-Vorrat aufzufüllen.
«Machst du da wirklich mit?»
«Wieso nicht? Ich war noch nie fitter.»
Ich dachte an all das zusätzliche Training – die endlosen Gespräche über Körpergewicht, Entfernungen, Fitness und Ausdauer. Es war im Moment auch so schon schwer genug, Patricks Aufmerksamkeit zu bekommen.
«Wir könnten es doch zusammen machen», sagte er, auch wenn wir beide wussten, dass er das selbst nicht glaubte.
«Das überlass ich dir lieber allein», sagte ich und fügte hinzu: «Klar, fahr ruhig nach Spanien.»
Und dann bestellte ich den Käsekuchen.
Wenn ich gedacht hatte, die Ereignisse des Vortages hätten im Granta House für Tauwetter gesorgt, hatte ich mich getäuscht.
Ich begrüßte Will mit einem breiten Lächeln und einem fröhlichen Hallo, doch er
Weitere Kostenlose Bücher