Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom
vom Aufbau komplizierter Maschinen – durch eingehende Fragen, denen man nicht ausweichen konnte, und vor allem durch eigene Beobachtungen hat es sich dieses Wissen verschafft –, beschäftigt sich mit fantastischen Erfindungen … «
Hans Asperger
Obwohl Menschen mit Asperger-Syndrom Schwierigkeiten mit den zwischenmenschlichen Aspekten des Lebens haben, verfügen die meisten von ihnen über bemerkenswerte Fähigkeiten in einem ausgewählten Fachgebiet. Hans Asperger beschrieb einige Kennzeichen der Spezialinteressen:
»Da ist der eine ein «Naturforscher» von geradezu wissenschaftlichen Fragestellungen; er macht mit ungewöhnlichem Blick für das Wesentliche Beobachtungen, ordnet sie zu einem Weltbild, macht sich seine Theorien, die ja manchmal etwas abstrus sind; das wenigste hat er gehört oder gelesen, immer bezieht er sich auf seine eigenen Erlebnisse. Ein anderer ist ein Chemiker, der sein ganzes Geld – und wenn er es sich stehlen muss – für Experimente aufwendet, die oft den Schrecken der Umgebung bilden; manche »spezialisieren« sich noch weiter, auf Experimente, wo es kracht und – stinkt; ein anderer autistischer Knabe hatte sich auf Gifte festgelegt, hatte ein ungewöhnliches Wissen darüber, eine Sammlung von zum Teil ganz naiv selbstbereiteten Giften; er war zu uns gekommen, weil er aus dem Giftkasten seiner Schule eine größere Menge Zyankali gestohlen hatte! Wieder einem anderen steht das Reich der Zahlen im Mittelpunkt; ohne Anleitung, ohne Schulunterricht sind ihm schwierige Rechenoperationen selbstverständlich geläufig.« 1
Eine wesentliche Komponente dieses Interesses besteht in der Sammlung und Katalogisierung von Dingen oder in der Sammlung von Fakten und Informationen zu einem bestimmten Thema. Das Spezialinteresse ist mehr als ein bloßes Hobby und kann die Freizeit und die Gespräche der Person dominieren.
Diagnosekriterien
Zu den Kriterien von Gillberg 2 gehören eng begrenzte Interessen, auf die mindestens eine der folgenden Eigenschaften zutrifft:
Ausschluss anderer Aktivitäten,
repetitives Befolgen der Aktivität,
mehr Routine als Bedeutung.
DSM-IV-Kriterien
Das Kriterium B der Diagnosekriterien gemäß DSM-IV beschreibt die Merkmale der Spezialinteressen:
Begrenzte repetitive und stereotype Verhaltensmuster, Interessen und Aktivitäten, die sich in mindestens einem der folgenden Merkmale zeigen:
Konzentrierte Beschäftigung mit einem oder mehreren stereotypen und begrenzten Interessensmustern, die entweder in ihrer Intensität oder durch ihr Gebiet abnorm sind.
Offenbar sture Befolgung spezifischer, nicht funktionaler Routinen und Rituale.
Stereotype und repetitive motorische Manierismen (z. B. das Schnippen oder Drehen der Finger oder komplexe Bewegungen mit dem ganzen Körper).
Anhaltende Beschäftigung mit einzelnen Teilen von Gegenständen.
Ein Hobby unterscheidet sich von einem klinisch bedeutsamen Spezialinteresse durch die ungewöhnliche Intensität oder das ungewöhnliche Interessensgebiet. Ob die Beschäftigung mit einem Thema – etwa Eisenbahnen oder Pferde – ungewöhnlich lange und intensiv erfolgt, kann der Spezialist nur subjektiv beurteilen. Die ungewöhnliche Themenwahl ist häufig offensichtlicher, wenn beispielsweise ein achtjähriges Mädchen begeistert Kataloge für Rasenmäher studiert, lange Monologe darüber hält und alte Rasenmäher in der Garage sammelt.
Die DSM-Kriterien beziehen sich auf die Entwicklung nicht funktionaler Routinen und Rituale. Die Kriterien Gillbergs 3 weisen als eigenes Kriterium repetitive Routinen auf, wobei diese Routinen nahezu alle Aspekte des normalen Lebens dominieren.
Repetitive Routinen
Es ist nicht sicher, ob diese Dominanz von Routinen oder Ritualen als ein Kernmerkmal des Asperger-Syndroms anzusehen sind oder ob es sich um die Merkmale einer ängstlichen Person handelt. Eine solche Dominanz kann charakteristisch für A ngststör ungen sein, für die Menschen mit Asperger-Syndrom besonders anfällig sind. Die Routinen können als Bewältigungsmechanismus für die ungewöhnlichen kognitiven Merkmale beim Asperger-Syndrom entstehen. Sie dominieren, weil mit ihnen das Leben vorhersagbarer gestaltet werden kann. Es wird eine Ordnung geschaffen, da Überraschungen, Chaos und Unsicherheit von Menschen mit Asperger-Syndrom nur schwer ertragen werden können (siehe Kapitel 9).
Die stereotypen und repetitiven motorischen Manier ismen wie das Flattern mit den Händen und Fingern können ein unreifer Ausdruck für
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