Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom

isolierend, mal mit anderen Kindern interagierend und dabei die Aufnahme in die Gemeinschaft suchend, wobei es aber von den Gleichaltrigen als aufdringlich und störend empfunden wird. Ein solches Verhalten wird von den Lehrern oft als albern, unreif und unkooperativ beschrieben. 6
Das Gefühl, nicht dazuzugehören
    Wenn Jugendliche in die Aktivitäten und Gespräche von Gleichaltrigen einbezogen werden, kann dennoch das Gefühl entstehen, nicht dazuzugehören oder nicht beliebt zu sein. Dies wird durch zwei Kommentare von Erwachsenen mit Asperger-Syndrom illustriert, die ihre Zeit als Jugendliche beschreiben: »Ich wurde nicht zurückgewiesen, aber fühlte mich auch nicht ganz dazugehörig«, und: »Ich wurde unterstützt und toleriert, aber nicht gemocht.« Ein Mangel an echter sozialer Akzeptanz durch Gleichaltrige wird aber natürlich die Entwicklung des Selbstwertgefühls nachteilig beeinflussen.
Beim Spiel mit Gleichaltrigen sind die Merkmale offensichtlicher
    Bei der diagnostischen Beurteilung untersucht der Psychologe oder Facharzt auch die Fähigkeiten des Kindes in sozialen Situationen, zum Beispiel beim Spielen mit Freunden, Eltern, Geschwistern oder Gleichaltrigen und in neuen sozialen Situationen. Die Merkmale des Asperger-Syndroms sind offensichtlicher, wenn das Kind mit Gleichaltrigen spielt, als wenn es mit Eltern oder Erwachsenen zusammen ist. Das ist ein wichtiger Punkt, der bei der diagnostischen Beurteilung berücksichtigt werden muss. Der Spezialist wird also die Beurteilung der Fähigkeiten sozialer Interaktion dadurch ergänzen, dass er das Kind beim unstrukturierten Spiel mit Gleichaltrigen beobachtet oder indem er Berichte über das soziale Spielen des Kindes von einem Lehrer einholt.
Wie wird das soziale Verständnis untersucht?
    Die Fachkraft sollte auch untersuchen, inwieweit sich das Kind der Regeln sozialen Verhaltens in einer Reihe von Situationen bewusst ist, insbesondere, ob es
das Konzept der persönlichen Distanz kennt und
inwieweit es in der Lage ist, Grußhandlungen zu variieren,
Berührungen zu ertragen und
Gesprächsthemen entsprechend dem Kontext und den kulturellen Erwartungen zu verändern.
    Weitere wertvolle Informationen sind,
wie das Kind auf Druck von Gleichaltrigen reagiert,
wie lange es für sich spielt und wie viel Spaß ihm das macht,
ob es soziale Regeln durchsetzt,
wie ehrlich es ist,
ob es Sinn für Humor hat und
wie anfällig es ist, gehänselt oder gemobbt zu werden und wie es darauf reagiert.
Absichten und Gefühlsausdruck auf Bildern erkennen
    Um das soziale Verständnis beurteilen zu können, zeige ich dem Kind eine Abfolge von Bildern von Kindern, allein oder in einer Gruppe, bei verschiedenen sozialen Situationen und ihre entsprechenden Emotionen: beispielsweise ein Kind, dass vom Fahrrad gefallen ist und weint, ein Kind, das offenbar dabei ist, einen Keks zu stehlen, während ein anderes Kind aufpasst, sowie ein Mädchen, dass offenbar seine Eltern im Einkaufszentrum verloren hat. Das Kind wird dann gebeten, zu beschreiben, was auf den Bildern passiert.
Kinder mit Asperger-Syndrom neigen dazu, Gegenstände und physische Handlungen wahrzunehmen und zu beschreiben, während sie, verglichen mit Gleichaltrigen, kaum auf Gedanken, Gefühle und Absichten der Akteure auf den Bildern eingehen.
    Wenn ich Jugendliche oder Erwachsene beurteile, bitte ich sie, Erlebnisse aus ihrem persönlichen Leben zu beschreiben und achte dabei darauf, ob Beschreibungen von Handlungen Vorrang vor Beschreibungen und Interpretationen von eigenen Gedanken, Gefühlen und Absichten oder von denen anderer Personen haben.
    Die diagnostische Beurteilung beinhaltet eine Bewertung der sozialen Interaktion der Person und ihres sozialen Verständnisses aufgrund von Beobachtung, Interaktion und eigenen Berichten der Person, die zur Best ät ig ung oder Ver wer fung der Diagnose herangezogen werden können. Die Beurteilung kann auch als Vergleichsmaßstab verwendet werden, anhand dessen sich der Fortschritt von Maßnahmen in jedem dieser Bereiche des sozialen Verständnisses, die verzögert oder ungewöhnlich sind (die »Kennzeichen« des Asperger-Syndroms), messen lässt.
    In diesem Kapitel beschreibe ich Strategien, mit denen das soziale Verständnis und Fähigkeiten in Bezug auf Freundschaften gefördert werden können.
Aus welchen Gründen werden Freundschaften gesucht?
    Ich habe die soziale Entwicklung von Kindern und Erwachsenen mit Asperger-Syndrom über mehrere Jahrzehnte beobachtet und