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Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom

Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom

Titel: Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tony Attwood
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Social Stories profitieren, um zu verstehen, warum es manchmal besser ist, nicht die Wahrheit zu sagen und wann man besser schweigt.
»Anthropologische Studien« im Klassenzimmer
    Man kann eine Person mit Asperger-Syndrom auch als jemanden beschreiben, der aus einer anderen Kultur stammt und der die Welt anders wahrnimmt und anders über sie denkt. Einige Erwachsene mit Asperger-Syndrom haben als Alternativbezeichnung den Begriff »Wrong-Planet-Syndrome« (»Falscher-Planet-Syndrom«) vorgeschlagen. Clare Sainsbury, ein Absolvent der Universität Oxford, hat ein Buch mit dem Titel »Martian in the Playground« – also »ein Marsmensch auf dem Schulhof« – geschrieben, um Eltern und Lehrern das Asperger-Syndrom nahezubringen. Die Idee, sich unter einem Menschen mit Asperger-Syndrom eine Person aus einer anderen Kultur oder von einem anderen Planeten vorzustellen, kann helfen, die Einstellungen von Erwachsenen und Gleichaltrigen zu verändern; damit können aber auch therapeutische Maßnahmen begründet werden.
    Das Kind mit Asperger-Syndrom versucht, unsere sozialen Gewohnheiten etwa in derselben Art und Weise zu verstehen, wie das ein Anthropologe tut, der einen neuen Stamm entdeckt und dessen Gewohnheiten verstehen will. Dabei wird der Anthropologe auf einen der Stammesangehörigen angewiesen sein, der ihm die Sprache und die Rituale erklärt. Diese Rolle eines Helfers, der die neue Kultur oder Zivilisation erklärt, kann ein Lehrer oder Assistenzlehrer übernehmen. Dabei werden die Gründe für bestimmte Verhaltensweisen entdeckt und erklärt. Der Besucher einer neuen Kultur benötigt vielleicht eine Art Handbuch; diese Aufgabe können die Social Stories übernehmen, die in Zusammenarbeit zwischen dem Helfer (dem Lehrer) und dem Anthropologen (dem Kind) entstehen. Jugendliche und Erwachsene mit Asperger-Syndrom profitieren sicherlich davon, wenn sie einen Reiseführer schreiben oder lesen, um normale Menschen – oder, wie es von Menschen mit Asperger-Syndrom formuliert wurde: neurotypische Menschen (NTs) – zu verstehen und mit ihnen zusammenzuleben.
Gemeinsames »Leute-beobachten«
    Der Vertreter der Kultur – also der persönliche Helfer – kann sich mit dem Anthropologen in eine Ecke des Klassenzimmers oder des Schulhofs setzen und beide beobachten und kommentieren dann die sozialen Interaktionen der Kinder und machen sich Notizen dazu, wobei der Helfer erklärende Kommentare abgibt. Oder sie spielen: »Erkenne die freundliche Handlung«, wobei man sich abwechselt, um freundschaftliche Handlungen zu identifizieren. Der Helfer kommentiert, warum eine bestimmte Handlung als freundlich oder als unfreundlich gilt. Ein solches Spiel des Leute-Beobachtens mit einem Helfer kann dem Kind mit Asperger-Syndrom Informationen über das Wesen der Freundschaftvermitteln, ohne dass das Kind das Gefühl haben muss, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen oder als die Person zu erscheinen, die notwendigerweise Fehler macht.
Soziale Erfahrungen außerhalb der Schule
    Kinder mit Asperger-Syndrom arbeiten doppelt so hart in der Schule wie deren Klassenkameraden, weil sie sowohl den fachlichen Lehrstoff als auch den sozialen Lehrstoff bewältigen müssen. Anders als andere Kinder nutzen sie eher ihre kognitiven Fähigkeiten als ihre Intuition, um mit anderen Menschen auszukommen und Freundschaften zu schließen. Stephen erklärte dazu: »Ich muss meine ganze Gehirnleistung einsetzen, um ein Freund zu sein.« Am Ende des Schultags hat das Kind normalerweise genügend soziale Erfahrungen gesammelt und hat nun den starken Wunsch, sich zurückzuziehen, um zu entspannen. Was das Kind mit Asperger-Syndrom angeht, enden Freundschaften am Ausgangstor der Schule. Daher wird sich das Kind meist gegen den Vorschlag der Eltern wehren, sich mit Kindern aus der Schule oder mit Nachbarskindern zu treffen. Das Kind hat genug soziale Arbeit in der Schule hinter sich und die Eltern werden akzeptieren müssen, dass das Kind danach keine Kraft und Motivation mehr hat, diese Arbeit fortzusetzen.
Wenn Sie dennoch soziale Erfahrungen fördern wollen, ist es wichtig, dass diese kurz, strukturiert, unter Aufsicht, erfolgreich und auf freiwilliger Basis ablaufen.
Trainingsgruppen für soziale Fähigkeiten
    In der Forschungsliteratur gibt es Berichte über erfolgreiche Gruppen, die sich speziell der Förderung sozialer Fähigkeiten widmen (»Social Skills Groups«) und die es für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene gibt. 25 Die

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