Ein Garten im Winter
war als der eines Rekruten in einem Armeeausbildungslager.
Trauer war ihre ständige Begleiterin. Sie spürte die ganze Zeit ihren Schatten hinter sich. Sie wusste: Wenn sie nur einmal ihrer stillen Sehnsucht nachgäbe, sich nur einmal nach ihr umwenden und von ihrer Dunkelheit umfangen ließe, wäre sie verloren.
Also machte sie immer weiter. Hielt sich beschäftigt.
Weihnachten und Neujahr waren natürlich eine Katastrophe, hatten ihr Festhalten an den Traditionen aber nicht verhindern können.
Das Weihnachtsessen mit Truthahn und allem Drum und Dran hatte den leeren Platz in ihrer Mitte nur noch schärfer ins Bewusstsein gebracht.
Außerdem verstand Jeff sie nicht. Ständig meinte er, wenn sie nur weinen würde, wäre alles wieder gut. Als könnten ein paar Tränen ihr helfen.
Es war einfach lächerlich, zumal sie wusste, dass es nicht half, weil sie im Schlaf weinte. Nacht für Nacht wachte sie mit tränenfeuchtem Gesicht auf, und es half ihr kein bisschen. Im Gegenteil: Diese schweren Zeiten überstand sie nur, wenn sie die Trauer unterdrückte.
Also machte sie weiter, lächelte bei der Arbeit und widmete sich mit verzweifelter Hingabe einer Pflicht nach der nächsten. Erst als die Mädchen zurück zur Uni fuhren, wurde ihr klar, wie anstrengend es war, so zu tun, als ginge das normale Leben weiter. Natürlich wurde alles nur noch schlimmer dadurch, dass sie seit der Trauerfeier nicht mehr durchschlief und dass sie und Jeff kaum noch miteinander reden konnten.
Sie versuchte, ihm zu erklären, wie kalt sie sich fühlte, wie betäubt, aber er wollte sie einfach nicht verstehen. Er meinte, sie sollte »es herauslassen«. Was auch immer das heißen mochte!
Allerdings gab sie sich auch nicht besonders viel Mühe, mit ihm zu reden. Manchmal vergingen ganze Tage, in denen sie nur kurz ein paar Worte wechselten oder sich zunickten. Sie sollte sich wirklich mehr Mühe geben.
Jetzt spülte sie ihre Kaffeetasse aus, stellte sie aufs Abtropfgestell und ging nach unten zum Arbeitszimmer, das Jeff zum Schreiben nutzte. Sie klopfte leise und öffnete die Tür.
Er saß an seinem Schreibtisch – den sie über zehn Jahre zuvor gekauft, Writer’s Space getauft und direkt mit einer Runde Sex eingeweiht hatten.
Eines Tages wirst du berühmt. Du wirst der neue Raymond Chandler.
Bei der Erinnerung musste sie lächeln, auch wenn sie Wehmut beschlich, weil im Laufe der Jahre ihre Träume auseinandergegangen und in unterschiedliche Richtungen gedriftet waren.
»Wie läuft’s mit dem Buch?«, fragte sie und lehnte sich gegen den Türrahmen.
»Wow. Danach hast du seit Wochen nicht mehr gefragt.«
»Wirklich?«
»Wirklich.«
Meredith runzelte die Stirn. Ihr hatte es immer gefallen, was ihr Mann schrieb. In der Anfangszeit ihrer Ehe, als er versuchte, sich als Journalist zu etablieren, hatte sie jedes einzelne Wort von ihm gelesen. Und noch vor ein paar Jahren, als er sich an etwas Fiktionales wagte, war sie seine erste und beste Kritikerin gewesen. Zumindest hatte er das behauptet. Das Buch hatte keinen Verleger gefunden, aber sie hatte daran geglaubt, an ihn, aus tiefster Seele. Sie freute sich auch, dass er endlich ein neues Buch angefangen hatte. Hatte sie ihm das je gesagt? »Tut mir leid, Jeff«, erklärte sie. »Mir ging’s in letzter Zeit nicht gut. Darf ich lesen, was du bis jetzt geschrieben hast?«
»Natürlich.«
Als sie sah, wie leicht man ihn zum Lächeln bringen konnte, verspürte sie Gewissensbisse. Am liebsten wäre sie zu ihm gegangen und hätte ihn geküsst. Früher war das so selbstverständlich gewesen wie Atmen, aber jetzt fühlte es sich merkwürdig kühn an, und sie brachte es einfach nicht über sich, zu ihm zu gehen. Also fügte sie im Stillen Jeffs Buch lesen zu ihrer Liste hinzu.
Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Sein Lächeln wirkte recht überzeugend. Und nur weil sie ihn schon dreißig Jahre kannte, sah sie die Verletzlichkeit dahinter. »Lass uns essen gehen und dann ins Kino. Du brauchst mal eine Auszeit.«
»Morgen vielleicht. Heute muss ich mich um Moms Rechnungen kümmern.«
»Du brennst die Kerze an beiden Enden gleichzeitig ab.«
Meredith hasste es, wenn er mit seinen Kalendersprüchen kam. Was genau wollte er eigentlich von ihr? Dass sie ihren Job aufgab? Oder sich nicht mehr um ihre Mutter kümmerte? Oder den Haushalt schleifen ließ? »Es waren doch nur die letzten Wochen. Gib mir ein bisschen Zeit.«
»Nur wenn du dir ein bisschen Zeit gibst.«
Sie hatte keine
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