Ein Garten im Winter
Perspektive änderte alles. »Haben wir eine Krise, Jeff?«
Sie sah, dass er erleichtert über ihre Frage war, dass er genau darauf gewartet hatte. »Ja.«
»Oh.« Wieder enttäuschte sie ihn, das sah sie, eigentlich wollte er über diese Krise reden, die sich so unvermutet vor ihr aufgetan hatte, doch sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Offen gestanden war es das Letzte, womit sie sich jetzt auseinandersetzen wollte. Ihre Mom wurde langsam wahnsinnig, und ihr Mann dachte, sie hätten eine Krise.
Sie wusste, es war ein Fehler, aber sie konnte nicht anders: Sie wandte sich ab – von seinem traurigen, enttäuschten Blick – und ging hinauf ins Schlafzimmer, das sie seit so vielen Jahren teilten. Dort zog sie sich aus, streifte ein altes T-Shirt über und kletterte ins Bett. Doch auch zwei Schlaftabletten halfen nichts, und als er später zu ihr ins Bett kroch, wusste sie, dass er wusste, dass sie noch wach war.
Sie rollte sich zu ihm, schmiegte sich an seinen Rücken und flüsterte: »Gute Nacht.«
Das war nicht genug, das war eigentlich gar nichts, und sie beide wussten es. Ihre Aussprache hing wie eine Sturmwolke über ihnen und wurde immer schwerer.
Sieben
Mitte Februar trotzte das Grün dem Winter. Weiße Krokusse und Schneeglöckchen brachen über Nacht durch die glitzernd weiße Schneedecke.
Jeden Tag schwor sich Meredith, mit Jeff über ihre Ehekrise zu reden, doch stets geschah etwas, was dieses Vorhaben vereitelte. Im Grunde wollte sie nicht darüber reden. Nicht ernsthaft. Mit der zunehmenden Verwirrung ihrer Mutter und dem daraus resultierenden Verhalten hatte sie genug am Hals. Frischverheiratete mochten vielleicht nicht verstehen, dass man Eheprobleme einfach ignorierte, aber jede seit zwanzig Jahren verheiratete Frau wusste, dass man über fast alles hinwegsehen konnte, wenn man nur nicht darüber sprach.
Sie überlebte nur von einem Tag auf den anderen. Wie ein Alkoholiker, der auf das eine, erste Glas verzichtet, konnte ein Paar einfach den ersten Satz vermeiden, der eine Aussprache einleitet.
Aber es hing immer über ihnen, wie kalter Zigarettenrauch, wie ein giftiger Stoff. Und heute wollte Meredith es endlich ansprechen.
Sie machte um fünf Uhr Feierabend – früh für ihre Verhältnisse – und ignorierte alles, was auf dem Heimweg hätte erledigt werden müssen. Zur Reinigung konnte sie später noch, und einen Tag würden sie auch ohne frische Lebensmittel auskommen können. Sie fuhr geradewegs zum Haus ihrer Mutter und parkte dort.
Wie erwartet, fand sie sie im Wintergarten. Sie trug zwei Nachthemden und war in eine Decke gewickelt.
Meredith knöpfte sich schon im Hinausgehen den Mantel auf. Als sie sich ihrer Mutter näherte, hörte sie, wie sie mit ihrer sanften, melodischen Stimme etwas über einen hungrigen Löwen erzählte.
Schon wieder das Märchen. Ihre Mutter saß allein in der Kälte und erzählte ihrem geliebten Mann Geschichten.
»Hi, Mom«, sagte Meredith und wagte es, ihr eine Hand auf die Schulter zu legen. Sie hatte in letzter Zeit die Erfahrung gemacht, dass sie ihre Mutter bei Gelegenheiten wie diesen berühren konnte. Manchmal half ihr die Berührung sogar aus ihrer Verwirrung. »Ist kalt hier. Und gleich wird es dunkel.«
»Schick Anja nicht allein los. Sie hat Angst.«
Meredith stieß einen Seufzer aus. Sie wollte schon etwas erwidern, als sie ein neues Accessoire im Garten bemerkte. Eine brandneue Kupfersäule blinkte neben der alten, die mit grüner Patina überzogen war. »Wann hast du die denn bestellt, Mom?«
»Ich wünschte, ich hätte was Süßes für ihn. Er isst so gern Süßes.«
Meredith half ihrer Mutter aufzustehen. Sie führte sie in die warme, helle Küche, wo sie ihr heißen Tee machte und die Suppe für sie aufwärmte.
Ihre Mutter saß zusammengesunken am Tisch und zitterte fast unkontrollierbar. Erst als Meredith ihr eine dick mit Butter und Honig bestrichene Scheibe Brot gab, blickte sie auf.
»Dein Vater isst Brot mit Honig unheimlich gern.«
Meredith überkam unerwartete Traurigkeit. Ihr Vater war allergisch gegen Honig gewesen, und irgendwie war der Umstand, dass Mom etwas so Konkretes vergessen hatte, noch schlimmer als ihre übliche Verwirrung. »Ich wünschte, wir könnten uns wirklich über ihn unterhalten«, sagte sie mehr zu sich selbst. In letzter Zeit hatte Meredith das Gefühl, ihren Vater mehr denn je zu brauchen. Mit ihm hätte sie über ihre kriselnde Ehe sprechen können. Er hätte sie bei der Hand genommen,
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