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Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Titel: Ein Garten mit Elbblick (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Sonnenaufgang los, wenn die Tagelöhner zur Frühschicht um Arbeit anstehen, wird da auch viel geredet. Wie ich hier durchgehe, sehe ich grade noch den Weibert zusammensacken und einen weglaufen. Jedenfalls sah es so aus. Es war noch duster, gerade mal erste Dämmerung. Ich konnte nichts machen, und der Kerl war zu schnell und plötzlich weg, schlagartig, obwohl er komisch lief, irgendwie komisch. Ich denk noch drüber nach.»
    * * *
    Der Mord in der Holztwiete sprach sich schnell herum, wurde aber ebenso schnell von einer Havarie auf der Elbe nahe dem Kaiserhöft verdrängt. Gleich wurde behauptet, der englische Kapitän und sein Steuermann hätten nicht aufs Fahrwasser und den im Hafen stets turbulenten Verkehr geachtet, sondern zu dem Turm auf dem Kaispeicher A geblickt und auf die Zeitanzeige gewartet. An jedem Tag Punkt 12.40 Uhr fiel in einem Metallgestänge auf der Turmspitze, unter einer Fahne weithin sichtbar, ein Ball herab, damit auf den Schiffen (an den Ufern, auf den Kais und in vielen Kontoren) die Uhren korrekt gestellt werden konnten. Ohne exakte Uhrzeit war die Navigation auf den Meeren nun mal unmöglich, und 12.40 Uhr Hamburg-Zeit war genau 12.00 Uhr Greenwich-Zeit.
    Es gab nahezu täglich Unfälle im Hafen, auf den Kais, in den Schuppen und besonders die Havarien auf dem Wasser. Letztere wurden erst richtig zum teuren Ärgernis, wenn die Schiffe liegen blieben, nur schwer zu bergen waren und – unter der Wasseroberfläche für die Schiffsführer unsichtbar – Gefahr für den Schiffsverkehr bedeuteten, was bei versenkten Schuten oder kleinen Barkassen nahezu an der Tagesordnung war.
    In diesem Fall hatte ein englischer Kohledampfer versucht, einem aus dem Ruder laufenden Schleppkahn auszuweichen, und war dabei mit einer Jolle kollidiert, die mit fünfzehn Hafenarbeitern zum Reiherstieg unterwegs war. Vier Männer waren tot, zwei wurden noch vermisst. Es war ein großes Drama. Die Spekulationen und Phantasien darüber, wie ein im Wasser treibender oder um sein Leben schwimmender Arbeiter durch die Schiffsschrauben zugerichtet werden konnte, waren erheblich grauenvoller, als ein in einer nächtlichen Gasse ermordeter Mann sie auslösen konnte, der zudem ein Säufer gewesen war und sich auch sonst auf den Pfaden der Tugend wenig auskannte.
    Kriminalkommissar Paul Ekhoff fand die Schwere des Unglücks bedrückend. Ihn, der auf dem Fischkutter und am Elbufer aufgewachsen war, berührte alles, was am und auf dem Wasser passierte, stärker als Leute, die aus Barmbek oder noch weiter aus dem Hinterland kamen. Auch wusste man zuerst nie, ob es einen getroffen hatte, den man kannte, einen, mit dem man den ersten Fisch geangelt oder den ersten Tabak versucht hatte. Einen Verwandten gar, Bruder oder Schwager.
    Für den riesigen Hafen mit seinem explosionsartig wachsenden Verkehr und den vielfältigen Aufgaben war die Hafenpolizei zuständig, ebenso für die Alster, die Kanäle und Fleete. Ihre etwa dreihundert Männer taten in zehn Wachen Dienst, sie mussten zuvor als Steuermann gefahren sein, für die Maschinisten der Polizeibarkassen reichte ein Zeugnis als Maschinist auf einem Flussdampfschiff. Alle mussten Plattdeutsch und mindestens eine Fremdsprache beherrschen. In einer so großen Hafenstadt genoss die Hafenpolizei besonderes Ansehen. An manchen Tagen wurmte Ekhoff das, an Tagen wie diesem war er froh darum. Alle, die etwas zu sagen hatten, und alle, die den Klatsch durch die Stadt trugen, wandten sich dem Geschehen im Hafen zu, selbst der Polizeirat, der bei allem Lob für seinen jüngsten Kriminalkommissar erste Anzeichen von Ungeduld zeigte. Ekhoff konnte seiner Arbeit in Ruhe nachgehen. Das Unglück kam ihm also gar nicht ungelegen.
    Noch folgten er und Henningsen der üblichen Routine, verstärkt durch Wachtmeister Schütt und einen weniger erfahrenen Unterbeamten. Schütt kannte ihn aus seinem Sparclub und hatte mit ungewohnter Verve für ihn gutgesprochen. Die Holztwiete war kurz, die Bewohner der Häuser überaus zahlreich. In Gassen wie dieser und so nah am Hafen lebte in jeder Wohnung eine ganze Traube von Menschen. Es gab Höfe mit Durchgängen zu dahinterliegenden Gassen, auch zur Deichtorstraße, es gab unübersichtliche, sich jeden Tag verändernde Baustellen – es wurde ja überall gebaut. Kurz und gut, es gab mehr Leute zu befragen und anzuhören, als eine kleine Twiete vermuten lässt.
    Die Aussicht auf Erfolg war gering, es musste trotzdem getan werden, und zwar mit

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