Ein Garten mit Elbblick (German Edition)
rigor mortis verkniffen. Brav, was? Jeder kann mich verstehen, sogar Ihr Wachtmeister Schütt. Unser Toter hier fühlt sich auch noch halbwegs warm an, weit kann der Kerl mit dem Messer nicht sein. Ich meine richtig weit. Sagen Sie auch mal was, Ekhoff?»
«Tja, was soll ich sagen? Mir fallen dazu nur Bemerkungen ein, die ich besser für mich behalte. Der Mord vom Meßberg ist nach wie vor ungeklärt, und nun liegt hier ein zweiter Toter, auch mit einer scharfen Klinge ermordet, und von einem, der sich ganz offensichtlich gut mit Messern auskennt. Schütt?»
Ekhoff hatte wie der Polizeiarzt neben der Leiche gehockt, nun erhob er sich, seine Knie fühlten sich steif an, und sah sich nach seinem Wachtmeister um. Der stand putzmunter einige Schritte abseits und flüsterte mit wichtiger Miene einer kleinen dicken Frau etwas ins Ohr, die in der Tür des nächsten Hauses lehnte, zwei weitere hatten es sich in einem Parterrefenster mit Kissen unter den Armen kommod gemacht. Auch aus anderen Fenstern und Türen schauten Neugierige. Es konnte nur noch Minuten dauern, bis so viel Publikum in die Holztwiete strömte, als locke hier ein Kuriositätenkabinett. Solche Nachrichten flogen selbst um eine so frühe Stunde schnell wie der Wind von Haus zu Haus, von Straße zu Straße.
Wenigstens war noch kein Zeitungsschreiber aufgetaucht. Seltsamerweise fehlten auch die Hunde. Die Streuner waren stets die Ersten an einem blutigen Tatort, was nie ein Spaß war. Ekhoff entdeckte auch keine Ratten, das hob seine Stimmung etwas, obwohl er wusste, dass sie immer in den Kellerlöchern und Abflussrohren lauerten. Wenn der Tote in die Anatomie abtransportiert, auch die Spurensuche beendet war und wieder Ruhe einkehrte, würden sie, schnell wie der Blitz, aus ihren Verstecken kommen und mit den Hunden, Katzen und Krähen um die klebrige Beute im Straßenschmutz kämpfen. Die Blutlache war erheblich.
«Schütt», zischte Ekhoff. «Was machen Sie da, und wo bleiben die Männer für die Absperrung?»
«Sind unterwegs, Herr Kriminalkommissar, längst unterwegs.» Schütt nahm gemächlich Haltung an. «Die sind gleich hier und der Fotograf auch. Der schleppt ja immer schweres Zeug mit sich rum, er hat jetzt eine Fotoassistentin, hübsches junges Ding, muss man sagen. Wenn er ihr eine Nachricht geschickt und sie herbefohlen hat, wird dem Fräuleinchen sicher schlecht. Bei so ’ner ernsten blutigen Arb…»
«Schütt!!» Ekhoff ballte die Fäuste hinter dem Rücken. «Bis die Absperrung steht, sorgen Sie dafür, dass die Leute keine Spuren zertrampeln und wir in Ruhe arbeiten können. Abstand halten, vor allem Abstand halten. Hier kann jetzt keiner durch. Klar?»
«Zu Befehl.» Nun stand Schütt doch stramm. Er war einerseits beleidigt, andererseits genoss er es, für einige Minuten enorm wichtig zu sein. Letzteres wog schwerer und setzte sich in einigen laut gebrüllten Anweisungen an die nun rasch wachsende Menge der Zuschauer um, was auch die letzten Bewohner der Holztwiete herauslockte.
Zum Glück trafen just in diesem Moment zwei berittene Wachtmeister ein, die sich auf ihren respektgebietenden Pferden den Weg durch die Menschenmauer bahnten. In der schmalen Gasse reichte an jeder Seite eines der mächtigen Tiere, um sie für den Durchgang komplett zu sperren. Ekhoff bedankte sich bei beiden Männern mit einem deutlichen Winken. Er hatte früh gelernt, wie wichtig es für einen wie ihn war, der keine Uniform mehr trug, den Uniformierten besonders aufmerksam zu begegnen. Bei einigen fiel das schwer, im Allgemeinen jedoch fand er das nur recht und billig.
«Wenn der Fotograf seine Arbeit getan hat, kann die Leiche in die Anatomie», entschied Dr. Winkler. «Der Mann ist übrigens hier ermordet worden, genau an dieser Stelle, denke ich. Das ist bei dieser Blutlache eindeutig.»
Im Publikum wurde es unruhig, es wurde laut gemurrt, sogar das Pferd des Rittwachtmeisters an der Seite der Twiete zur City schüttelte nervös die Mähne. Die Ursache war Henningsen. Er drängte sich durch, zerzaust, das Hemd zerknittert und ohne Kragen, keine Manschetten unter den Ärmeln des Tweedjacketts, in der Hand schon sein zerknautschtes Notizbuch.
«Schneller ging es nicht», japste er. «Nummer zwei? Wer ist es?»
Dr. Winkler grinste, er kannte diese eifrigen Anfänger, und er mochte sie. Immer wieder neue Jungs, seit zwei Jahrzehnten. «Da müssen wir Sie enttäuschen, Herr Assistent, Nummer zwei ist der hier wohl kaum. Der Erste war ein eleganter
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