Ein Garten mit Elbblick (German Edition)
habe ich gehört, wer Ihr Vater war. Ich weiß, dass Sie ihn im vergangenen Monat zu Grabe tragen mussten, Sie haben mein ganzes Mitgefühl. Es tut mir wirklich sehr leid. Ich habe Ihren Vater kennengelernt, er war ein warmherziger Mann.» Wieder lächelte sie, diesmal überhaupt nicht spöttisch, sondern scheu. «Ich mochte ihn nicht nur, weil er im März eines meiner Bilder gekauft hat und erst kürzlich sogar ein zweites.»
«Tatsächlich? Das ist wunderbar.»
«Vor allem war es großzügig. Ich bin eine Anfängerin, und vor einem halben Jahr war ich es noch mehr, entsprechend sind meine Arbeiten.»
«Wo hat er sie gekauft? In einer Galerie?»
«Um Gottes willen, nein! Das erste Bild hier in unserer eigenen Ausstellung, das zweite mehr oder weniger auf der Straße. Tatsächlich war es ein Zufall. Ich hatte einige Wochen in Flandern verbracht, bei einem Meisterkurs, für den ich natürlich noch nicht gut genug bin, aber ich hatte einen Fürsprecher. Einen Gönner, heißt das in Künstlerkreisen, oder?» Sie lächelte vergnügt. «Eines der beiden Bilder, die ich fertig mit zurückgebracht habe, war schon gerahmt. Eigentlich war es für – nun, bleiben wir besser bei Fürsprecher, Gönner klingt allzu sehr nach Käuflichkeit. Also, es war für diesen Förderer meiner bescheidenen Künste gedacht. Um genau zu sein – er hatte es sich ausbedungen. Aber dann lief ich gleich nach meiner Rückkehr Ihrem reizenden Herrn Papa über den Weg, er mochte das Bild, jedenfalls behauptete er das ganz entschieden. Was sollte ich tun? Ihm seine Bitte abschlagen? Das war unmöglich. Immerhin war er mein erster Sammler. Zwei Bilder machen schon einen Sammler. Er hat es, wenige Tage bevor er starb, gekauft. Es tut mir so leid.»
Hetty überhörte die letzten Worte. «Und Ihr Gönner, Pardon, Fürsprecher?»
Christines Blick bekam etwas Mutwilliges. «Sprechen wir nicht davon. Es ist zu albern. Das zweite Bild war nämlich besser gelungen, aber er wollte tatsächlich das andere haben und monierte, er habe extra Auftrag nach Flandern gegeben, es zu rahmen. Wie ich es mir nur habe abschwatzen lassen können – und überhaupt, von wem? Aber ich hatte das Bild nun mal verkauft. Weg ist weg. Er musste mit dem anderen vorliebnehmen.»
Einer aufmerksamen Beobachterin konnte nicht entgehen, dass Christines Worte einen triumphierenden Unterton hatten. Die Stimmung zwischen ihr und ihrem fürsprechenden Freund konnte nicht die beste sein.
«Ich werde nach dem Bild Ausschau halten. Wenn es die Wogen glättet, können Sie es zurückhaben. Oder wenn Sie nun beide Bilder einer Galerie anvertrauen wollen …»
«O nein. Das Angebot ist liebenswürdig, aber wäre ich so weit, dass eine Galerie meine Arbeiten annimmt, wäre ich längst weg. In Paris natürlich, wo sonst. Ich möchte auch unbedingt nach Barbizon. Das ist ein Dorf im Wald von Fontainebleau, gar nicht weit von Paris, dort gab es eine legendäre Künstlerkolonie. Leider besteht sie nicht mehr. Aber es gibt Leute, die wollen in Rom auf den Spuren Petri wandeln, ich will durch Barbizon spazieren. Schon der Name klingt nach einem Versprechen, finden Sie nicht? Barbizon im Wald von Fontainebleau. Wie aus einem sentimentalen Roman. Die Mitglieder der Kolonie haben die Landschaftsmalerei revolutioniert – das mag ein wenig hoch gegriffen sein, aber letztlich stimmt es doch. Deshalb muss ich Bilder verkaufen, damit ich überhaupt dorthin fahren und vor allem den Unterricht bezahlen kann. Für den Lebensunterhalt reicht mein eigenes Geld, falls ich nicht dem Absinth verfalle. Entschuldigen Sie, es ist unhöflich, nur von mir zu plappern. Und grob, über Geld zu sprechen.»
«Ach nein. Ich spreche dieser Tage auch recht häufig über Geld. Kennen Sie noch jemand, dessen Bilder er gekauft hat? Zum Beispiel hier aus dieser Schule?»
«Die Einzigen, von denen ich weiß, sind eins von Magda Neubach und eins von ihrer Schwester Hilka. Die beiden haben zurzeit das Vergnügen, eine Tante nach Florenz zu begleiten, wegen der Uffizien, wegen der ganzen wundervollen Renaissance. Und jetzt sind die Farben Ihrer Rose getrocknet. Gar nicht gut beim Aquarellieren – wenn Fräulein Röver uns ertappt, gibt es Ärger. Kunst ist ernsthafte Arbeit und bedingt stille Konzentration», ahmte sie die Stimme der Schulleiterin nach, «geplappert wird nur in den Pausen.»
Sie erhob sich, in ihrem vom Kinn bis zum Rocksaum reichenden unförmigen Malerkittel sah sie wie ein zu hoch gewachsenes Schulkind
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