Ein Garten mit Elbblick (German Edition)
Kaffee- und Speise-Halle. Neben dem hohen Gebäude, das mit Türmchen und Dachreiter geschmückt war, führte eine breite Treppe hinunter zum Fleet, dem alten Pferdeborn und dem Anleger für die Boote mit Waren für die umliegenden Straßen. «Es soll einen Extraraum für Meister und andere Chefs geben und einen für Frauen. Der wäre mit Ihrer Begleitung natürlich unpassend.»
Ekhoff fand die ganze Volks-, Kaffee- und Speisehalle , allgemein kurz Kaffeeklappe genannt, nicht passend. Es gab im Hafen und der Stadt schon fünfzehn solche sich als Wohlfahrtseinrichtung zur gesunden Ernährung der arbeitenden Bevölkerung verstehende Häuser. Ein Mittagessen – immer Suppe, Gemüse und Fleisch – kostete vierzig Pfennige. Er konnte sich ein Fräulein Mommsen oder eine Frau Winfield nur schwer in der Schlange vor der Durchreiche zur dampfenden Großküche vorstellen, wo man gegen eine Papiermarke den aus riesigen Kesseln und von Bratherden gefüllten Teller in Empfang nahm.
Aber die Mittagszeit war vorüber und der Speisesaal geschlossen, auf der zum Wasser hinunterführenden Treppe saßen schon die Küchenfrauen und -mädchen in bekleckerten Kitteln und löffelten ihre eigene Mahlzeit oder rauchten. Der Kaffeesaal hingegen war den ganzen Tag geöffnet. Er rechnete flugs, eine große Tasse Kaffee kostete dort fünf Pfennige, falls sie Schokolade vorzog, das Doppelte. Dafür reichte noch, was er an Münzen in der Tasche hatte. Selbst wenn sie zwei Tassen trank.
Er war unsicher, ob er ihr den Arm reichen sollte. Oder durfte? Dann nahm sie ihn so selbstverständlich, wie sie sich von ihm über die Straße und in den Kaffeesaal führen ließ. Etwa die Hälfte der Stühle und Bänke an den langen Tischen war besetzt. Ekhoff schien es, als sähen sich alle Gäste nach ihnen um. Er schwankte zwischen Bedauern und Erleichterung, als er keinen Kollegen aus dem Stadthaus entdeckte.
Er holte zwei der großen Tassen mit Kaffee, die Kannen waren gerade frisch gefüllt worden, und setzte sich Hetty gegenüber. Sie hatten Plätze direkt am Fenster, nur am anderen Ende des langen Tisches saßen drei junge Männer in dunklen Anzügen, sie sahen nach Commis oder nach Handelslehrlingen aus, steckten die Köpfe zusammen und interessierten sich nicht für andere Gäste.
«Sie wollten zu mir?», begann Ekhoff. «Gibt es Neuigkeiten, die ich wissen sollte? Oder wollten Sie etwas fragen?»
Sie sah unentschlossen aus. «Nein», sagte sie dann, «keine Neuigkeiten. Ich glaube nicht. Außer vielleicht – es ist mir unangenehm, denn es ist sehr privat. Vielleicht wissen Sie es schon, Sie haben mit meinem Onkel und meinen Cousins gesprochen. Es geht um Geld.» Ihre Wangen röteten sich, sie hüstelte, bevor sie weitersprach. «Als wir heirateten, war mein Mann recht gut situiert. Doch, so würde ich es nennen. Ich kenne keine Zahlen, die Details hat man mir natürlich nicht gesagt, und ich habe nicht gefragt, es war Besitz von seiner Familie. Ich war sehr jung und verstand ohnedies nichts von solchen Dingen, dazu gab es auch keine Notwendigkeit. Trotzdem hätte ich Papa fragen können, wenn ich überhaupt auf die Idee gekommen wäre.» Sie lachte leise, es klang verächtlich. «Wie dumm. Ich verstehe immer noch nichts von diesen Dingen, inzwischen weiß ich aber, dass ich darum wissen sollte , und künftig werde ich das auch.» Sie hatte gedämpft und schnell gesprochen, nun nahm sie einen Schluck Kaffee, blickte in die Tasse und setzte sie zurück auf den Tisch. «Ich rede und rede, und Sie verstehen kein Wort, oder?»
«Ich ahne, worauf es hinausläuft. Ihr Mann hatte sich ruiniert. Oder war von anderen ruiniert worden?»
Sie nickte. «Wobei ich nicht weiß, ob Ersteres oder Zweiteres zutrifft. Noch nicht. Irgendwann werde ich es wissen, glauben Sie mir. Und mein Vater …» Sie stockte und wusste im selben Moment, dass ihn nicht alles anging. «Jedenfalls», fuhr sie rasch fort, «mit diesem ‹Das schickt sich nicht für eine junge Dame, das versteht dein kleines Köpfchen gar nicht› ist es vorbei. Da ist nichts mehr an Besitz, nicht einmal eine kleine Rente. Womöglich war er hier, weil er versuchen wollte, etwas auszugleichen? Ach, ich weiß es nicht. Oder er hatte hier jemand, der ihm verpflichtet war. Einer, der ihm noch etwas schuldete. Aber dann wäre er kaum mit falschem Namen in einem billigen Logierhaus abgestiegen. Haben Sie etwas über Mr. Haggelow herausgefunden?»
Ekhoff war versucht, auf den Widerspruch hinzuweisen,
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