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Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Titel: Ein Garten mit Elbblick (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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genommen zwei, ein berufliches und ein privates, wobei auch das private seinen Beruf berührte. Er war daran gewöhnt, jeden Pfennig zweimal umzudrehen, es war nie anders gewesen. Er hielt es für richtig und hatte nie darüber nachgedacht, bis Martha davon zu reden begann. Nicht oft, auch nicht drängend, mehr in der Art wie ‹Die Blochs haben ein neues Kanapee gekauft, wir sollten uns das mal ansehen› oder ‹Schillers haben jetzt einen Garten gepachtet, nichts ist besser für die Kinder als frisches Gemüse›. Martha forderte nichts, sie stellte nur Wünsche in den Raum. Aber sie konnte auch rechnen, und wenn sie etwas wollte, nahm sie die Sache in die Hand. So wie jetzt. Martha wollte wieder arbeiten. Bis ein Garten Ertrag bringe, koste er. Natürlich war er nicht einverstanden, es ging nicht an, dass die Frau eines Kriminalkommissars arbeitete, um Geld zu verdienen. Als könne er nicht für die Familie sorgen oder habe heimliche Laster, die sein Gehalt fraßen und Frau und Kinder hungern ließen.
    Natürlich wusste er, dass es Martha nicht nur darum ging. Sie wollte aus dem Haus, sie wollte eine Arbeit, die mehr war als Windeln waschen und Fußböden aufwischen. Dafür konnte man ein Mädchen bezahlen, wie es andere auch taten. Aber Martha, dachte er und lauschte dem Gedanken nach, weil er ihm misstraute, Martha ging seit einiger Zeit eigene Wege. Sie dachte, er bemerke es nicht, weil er von früh bis spät arbeite, manchmal auch in der Nacht, sogar am heiligen Sonntag. Aber er war sicher, sein Gefühl trog ihn nicht.
    Sie hatte gearbeitet, seit sie dreizehn Jahre alt war, im alten Altonaer Fischereihafen, auch früher schon für einige Stunden nach der Schule. Noch in den ersten Jahren ihrer Ehe hatte sie dort trotz der Kinder ‹ein bisschen zuverdient›, wie sie es genannt hatte. Da war sie längst nicht mehr eine der Frauen gewesen, die im Akkord Fische aufschnitten, ausnahmen und verpackten, da saß sie im schwarzen Kleid mit weißem Kragen im Büro des Auktionators. Diesen Platz hatte sie sich hart erarbeitet und erkämpft.
    Den Geruch, dem man am Fischmarkt auch im Kontor nicht entkam, hatte sie mit dem schläfrigen Altona hinter sich gelassen. Sie war sofort dafür gewesen, als Paul ihr behutsam vorschlug, aus dem Preußischen hinüber nach Hamburg zu ziehen, als Garantie für ein besseres Leben. Für allerbeste Aussichten.
    Die hatte er nun, auch wenn er mit seinem Versagen bei der Suche nach Winfields Mörder gerade dabei war, sie zu verspielen. Ausgerechnet bei diesem Fall, bei dem Mord an Mommsens Schwiegersohn, steckte er fest. Ausgerechnet. Es quälte ihn doppelt.
    Und jetzt lieferte Martha ihm ein weiteres Problem und forderte – diesmal forderte sie tatsächlich – sein Einverständnis zu einer Arbeit außer Haus. Natürlich nur stundenweise, hatte sie gesagt, vielleicht an zwei oder drei Nachmittagen, eine saubere und reputierliche Arbeit, in einem Büro vielleicht. Warum konnte sie nicht eine Arbeit annehmen, die sich unauffällig zu Hause verrichten ließ, das taten andere Ehefrauen auch.
    Er hatte kaum bemerkt, dass er vom Treppenhaus in den Innenhof und durch die Hofeinfahrt auf die Straße hinausgetreten war. Irgendjemand grüßte ihn, er grüßte zurück und zog den Hut weiter ins Gesicht. Er wollte weder reden noch Fragen beantworten, sondern nachdenken. Er bog vom Neuen Wall in die Straße zur Stadthausbrücke ein – und prallte fast gegen eine schmale Gestalt im dunklen Kostüm, die auf dem Trottoir stand und sich suchend umsah. Vor ihm stand Henrietta Mommsen, Hetty aus jenem nie vergessenen Sommer. Frau Winfield.
    «Haben Sie es geahnt? Ich war auf dem Weg zu Ihnen», erklärte sie, was ihn noch mehr verblüffte, als ihr hier auf der Straße zu begegnen. Er kannte sich mit den englischen Gepflogenheiten nicht aus, aber dass eine Dame, erst recht eine so junge, allein die Zentrale der Polizei besuchte, konnte auch jenseits des Kanals nicht üblich sein.
    «Ich weiß Ihren Blick zu deuten», sagte sie. «Ohne Begleitung ins Stadthaus, das ist ein unmögliches Verhalten.» Sie lächelte, und ein Grübchen, das er zuvor nicht bemerkt hatte, gab ihr etwas Heiteres. «Ich denke aber, nirgends könnte ich sicherer sein. Außerdem bin ich in meinen schwarzen Kleidern so gut wie unsichtbar. So kommt es mir jedenfalls vor. Haben Sie eine halbe Stunde Zeit für mich? Ich möchte dort drüben Kaffee trinken.» Sie wandte sich um und zeigte zu der bei der Stadthausbrücke neu erbauten

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