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Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Titel: Ein Garten mit Elbblick (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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dass sie einerseits gesagt hatte, Mr. Winfield sei ruiniert gewesen, sich andererseits über seine Wahl für ein billiges Quartier wunderte. Aber wenn reiche Leute sich als ruiniert bezeichneten, hieß das noch nicht, dass gleich Hunger und Kälte auf sie warteten. Wäre er selbst ruiniert, bliebe sein Gehalt aus, stünde er schnell auf der Straße. Mitsamt Frau und Kindern. Ein ‹billiges› Quartier wie im Hüxter wäre dann Luxus.
    «Haggelow?», fragte er. «Ach so, der Mann aus Newcastle. Nein, gar nichts. Ich hoffe, Sie nehmen es nicht übel, ich vermute, es gibt ihn nicht, Mr. Winfield kann ihn einfach erfunden haben.»
    «Wozu?»
    Ekhoff suchte nach einer schonenden Antwort. «Weil er einen zweiten Namen brauchte. Manchmal ist das nützlich.»
    «Wozu?»
    «Ein zweiter Name, der nichts mit dem Taufeintrag zu tun hat, lässt vermuten, etwas solle verborgen werden. Einfach gesagt: So ein zweiter Name riecht immer stark nach Betrug. Oder nach Geheimpolizei. Hier muss ich Betrug vermuten. Die Kollegen in London hätten sich anders verhalten, wenn es um die zweite Variante gegangen wäre.»
    Es wäre leichtfertig zu behaupten, diese Worte hätten Henrietta gleichgültig gelassen. Sie hatten sie nur nicht mehr völlig überrascht. Sie saß mit einem Polizisten in einer Volksspeisehalle und trank etwas, das hier Kaffee genannt wurde, sie unterhielt sich über verlorene Vermögen, einen ermordeten Ehemann, der wahrscheinlich auch ein Betrüger gewesen war – was sollte da noch überraschend sein? Sie war ganz ruhig. Leider wusste sie, dass das nicht immer ein gutes Zeichen war, eher so etwas wie die Ruhe vor dem Sturm. Also musste sie diese Ruhe nutzen und dem Sturm zuvorkommen, der am Horizont drohte.
    «An den Gedanken werde ich mich gewöhnen müssen», sagte sie so beherrscht wie möglich. «Und der andere Tote? Es ist noch ein Mann getötet worden. Das stimmt doch? Alle denken, ich weiß nichts. Aber ich bin weder blind noch taub. Er ist auch mit einem Messer getötet worden. Wie mein Mann?»
    «Mit einem Messer, ja, aber anders. Das Messer – wollen Sie das wirklich hören?»
    «Alles. Oder denken Sie, es ist angenehmer, wenn ich es mir zusammenphantasiere? Das kann man nämlich nicht verhindern, wenn man nichts weiß . Jedenfalls ich nicht.»
    «Dann hören Sie gut zu, ich werde leise sprechen. Das Messer wurde anders geführt. Aber der Tote, ein Säufer ohne Arbeit, den wir schon festgenommen und verhört hatten, Sie erinnern sich vielleicht, war früher Messerwerfer. Wir haben ihn im Stadthaus gründlich verhört, und er konnte beweisen, dass er keinesfalls beim Meßbergbrunnen gewesen sein konnte, als Mr. Winfield starb. Er war sturzbetrunken im Seemannskrankenhaus im Tollzimmer, das ist amtlich. Trotzdem hatte er die Uhr Ihres Mannes, dafür gibt es einen zuverlässigen Zeugen. Er hat gesagt, er hat sie auf der Straße gefunden, inzwischen glaube ich ihm. Er wollte sie verkaufen und hatte damit angegeben, dass er was weiß. Sehr dumm. Das ist immer gefährlich, selbst wenn es nicht stimmt.»
    «Und Sie denken, weil er Thomas’ Uhr hatte, wurde auch er getötet?»
    «Nein. Weil er in einer Kneipe damit angegeben hat, er hätte was gesehen und würde bald Geld haben. Es ist immer dasselbe. Es gäbe weniger Tote, wenn die Leute verstünden, ihre Geheimnisse für sich zu behalten.»
    «Das von einem Polizisten zu hören, wundert mich.» Hetty versuchte ein Lächeln. Es fiel blass aus.
    «Würden diese Leute bei uns reden, vor meinem Schreibtisch, hätte ich gar nichts dagegen einzuwenden, das versteht sich. Noch einen Kaffee? Oder lieber eine Schokolade?»
    «Noch einen Kaffee, bitte, das wäre schön. Inzwischen sortiere ich den Wirrwarr in meinem Kopf, da will etwas heraus, aber es versteckt sich noch.»
    Als er mit dem Kaffee zurückkam, hatte sie sich zum Fenster gewandt und beobachtete zwei Jungen bei ihrem Versuch, eine sich heftig sträubende Ziege vom Anleger am Fuß der Treppe in ein schwankendes Ruderboot zu hieven. Sie hoffte, sowohl die Jungen als auch die Ziege konnten schwimmen, sie würden es wahrscheinlich brauchen.
    «Sie wohnen in Herrn Mommsens Haus», sagte er, «ich meine, im Haus Ihres Vaters. Sie sollten wieder bei Ihren Verwandten wohnen. Dort wären Sie nicht so allein.»
    «Wollen Sie mir Angst machen?»
    «Dafür sehe ich keinen Grund», log er beherzt. «Ich finde aber, im Kreis der Familie wären Sie jetzt am besten Platz.»
    Hetty schüttelte entschieden den Kopf. «Ich

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