Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

sechs Stunden. Oder planst du für morgen schon einen ausgedehnten Abend mit Billard oder Poker, anschließend ein kleines Souper? Jedenfalls bleibt deine Wohnung dann bis gegen Mitternacht verwaist.»
    Felix stellte sein Sherryglas behutsam, als sei es zerbrechlich, zurück auf die Messingplatte des Tisches und nickte bedächtig. «Das lässt sich einrichten. Opernkarten liegen wie gewöhnlich an der Kasse, nehme ich an? Erlaubst du ein offenes Wort?» Ohne eine Antwort abzuwarten, sprach er gleich weiter: «Es geht diesmal länger als die von dir sonst postulierten ‹höchstens dreimal, und dann ist Schluss›. Ich zitiere dich nur. Hat es eine Perspektive?»
    «Du meinst eine kleine Wohnung und ein regelmäßiges Nadelgeld? Ich hätte tatsächlich nichts dagegen, es steht trotzdem nicht zur Debatte, sie hat andere Pläne. Aber mach dir keine Sorgen um Mary. Sie lebt ihr Leben auf ihre Art und ist zufrieden. Die Kinder, das Haus, ihre Stellung, sie hat auch eine Menge Verpflichtungen außerhalb der Familie. Sie ist ein bisschen nervös, das stimmt, aber das geht vorbei. Mary ist eine kluge Frau.»
    «Ich meine nicht Mary, ich spreche von der Dame, für die ich in die Oper gehe. Tristan und Isolde ? Sehr passend übrigens.»
    «Überhaupt nicht. Viel zu melodramatisch für das wahre Leben. Aber du überraschst mich. Bisher haben meine kleinen Ausflüge dich nie interessiert. Willst du mir nun Konkurrenz machen? Lass es besser nicht darauf ankommen. Nun sieh mich nicht so zornig an.»
    Ernst erhob sich schwungvoll. Er nahm die Papiere vom Tisch auf, schob alle in seine Ledermappe und schloss sie sorgfältig.
    «Die Zeiten, als wir es schwer miteinander hatten, sind doch lange vorbei, Felix. Und diese andere Sache – das Leben ist, wie es ist. Sieh dich unter den Ehemännern im großen Kreis unserer Freunde und Bekannten um. Sieh genau hin. Die Welt dreht sich seit Adam und Eva im gleichen Trott. Nur in Ermangelung eines anderen Mannes hat Eva mit der Schlange getändelt. Was wir tun, ist erheblich belangloser. Also: morgen Abend?»
    Auch Felix hatte sich erhoben. «Morgen Abend», sagte er. Sein Mund lächelte, seine Augen waren dunkel. Sein Bruder übersah es.
    «Wenn man nicht einstauben will, muss man sich kleine Freiheiten nehmen», sagte er stattdessen. «Ab und zu eine größere. Das weiß jeder, und wer es kann, der tut es. Auch manche unserer Damen, was du sehr genau weißt.»
    * * *
    Martha Ekhoff trug einen dunkelblauen, gut gearbeiteten Rock, schmal in der Taille und über den Hüften, weiter ab den Knien; ihre weiße Bluse mit dem bestickten Stehkragen und der Reihe kugeliger Perlmutterknöpfchen (die ihr Ehemann nie zuvor bemerkt hatte) war an den Oberarmen zu modischen Puffärmeln gebauscht. Nichts erinnerte an die geflickten, notdürftig aus Resten zusammengenähten Kleidungsstücke jener frühen Jahre. Nur die Sommersprossen und die seit ihrer Kindheit geröteten kräftigen Hände, auch die dunklen Augen unter dem rotblonden Haar waren unverändert. Sie konnten immer noch so wütend und bedrohlich blicken wie damals am Strand.
    Paul Ekhoff war erschreckt aufgesprungen. Er fühlte sich wie bei einer Sünde ertappt, obwohl er absolut keine begangen hatte. Die Frage war vielmehr, ob Martha gerade eine beging.
    «Was tust du hier?», zischte er, bevor er sich überlegen konnte, dass er damit sowohl Martha als auch Hetty in Verlegenheit brachte. Er fing sich gleich, Beherrschung hatte er früh gelernt. «Martha», sagte er wieder ganz ruhig, «du erinnerst dich vielleicht an Frau Winfield, damals bei uns am Strand kannten wir sie allerdings nur als Hetty. Ein paar Wochen …»
    «… ein paar Wochen hat sie bei uns Zoobesuche gemacht. Ja», Martha ließ ihren Mund lächeln und reichte Hetty die Hand, «natürlich erinnere ich mich. Ich habe Sie gleich erkannt, Frau Winfield. Mein Beileid, wir verstehen Ihren Schmerz sehr gut. Mein Mann», sie legte eine Hand auf Pauls Arm, «und ich.»
    So erfuhr Hetty, dass die beiden Kinder vom Strand seit sechs Jahren ein Ehepaar waren und selbst zwei Kinder hatten, ja, beide gesund. Und so erfuhr Paul Ekhoff, nachdem Hetty sich verabschiedet hatte – sie werde zu Hause erwartet und sei schon jetzt zu spät –, was seine Ehefrau in der Kaffeeklappe tat.
    «Ich helfe aus», erklärte Martha kühl. «Nein, natürlich stehe ich nicht hinter der Durchreiche oder beim Wärmetisch für den Kaffee, keiner deiner Kollegen wird mich hier sehen. Ich arbeite auch nicht im