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Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Titel: Ein Garten mit Elbblick (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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seiner Cousine widerfahren war. «Allerdings bin ich nicht die neue Schülerin, ich bin überhaupt nicht angemeldet. Kann man hier auch Probestunden nehmen?»
    «Bestimmt», sagte Fanny Schröder, ihr Atem klang wieder normal. «Die Schule hat in den drei oder vier Jahren ihres Bestehens einen solchen Ruf erworben, dass das kaum jemand macht, aber fragen Sie Fräulein Röver. Ein großer Teil der Schülerinnen ist zum Sommerkurs draußen im Alstertal, also ist der Zeitpunkt günstig. Sonst kommt es schon mal vor, dass wir zu wenige Stühle haben. Und Staffeleien. Aber die Röver zaubert immer was, sie ist ungemein findig.»
    «Sehr schmeichelhaft, Fräulein Schröder, wirklich schmeichelhaft.» Eine Frau von etwa fünfundvierzig Jahren stand in der Tür, trotz des unförmigen, in der Taille nur locker mit einem Band zusammengefassten Kittels erschien sie zierlich. Das nach der allgemeinen Mode weich aufgesteckte, tiefbraune Haar war noch ganz ohne Grau, in den dunklen Augen stand Ungeduld. «Mir wäre aber noch lieber, wenn Sie endlich einmal pünktlich zum Beginn der Stunde auf Ihrem Hocker vor der Staffelei säßen. Sie besonders, Fräulein von Edding. Sind Sie nicht gerade stolze dreißig geworden? Nur alberne Backfische verschwenden Zeit, die eigene und die anderer. Und Sie?» Ihr Blick zielte auf Hetty. «Wer sind Sie? Halten Sie uns nur auf, oder wollen Sie auch herein?»
    * * *
    In der Souterrainkneipe Zum dicken Butt gab es, abgesehen von ein paar Hockern vor dem Tresen und zwei weiteren neben dem Kanonenofen, drei Tische mit jeweils vier Stühlen. Obwohl es erst früher Nachmittag war, waren zwei der Tische besetzt. Der mit dem grünen Sofa war frei, vielleicht weil man sich von dem durchgesessenen Möbel schwerlich nah genug einander zubeugen konnte, um Angelegenheiten zu besprechen, die nicht für fremde Ohren bestimmt waren, vielleicht auch, weil Flöhe sich lieber in abgewetztem Samt als auf blankgewetztem Holz aufhalten.
    Hinter dem Tresen stand die Wirtin, von den Stammgästen, und das waren die meisten, nur Mine genannt. Der Wirt war für einen kleinen Nebenverdienst mit Pferd und Wagen unterwegs. Gut möglich, dass deshalb schon so viel Kundschaft gekommen war. Mine war das, was man eine deftige Weibsperson nannte, sie lockte die Gäste nicht gerade mit zarter Schönheit, aber sie hatte Witz, und sie war schlau, deshalb schenkte sie immer gut ein. Wenn sie die Gläser und Krüge füllte, hatte jeder Gast das Gefühl, er habe heute ‹ein bisschen was extra› bekommen. Leider wusste Mine auch sehr genau, bei wem sich so eine kleine Generosität auszahlte. Und vor allem, bei wem nicht.
    Der ehemalige Droschkenkutscher und Messerwerfer Knut Weibert gehörte nicht mehr dazu. Sosehr er auf sie einredete, sie trocknete seelenruhig weiter ihre Krüge und Gläser und schüttelte nur ab und zu den Kopf.
    «Mensch, Mine.» Weiberts Stimme war noch klar, was bedeutete, dass er dringend das ein oder andere Bier brauchte, gerne einen doppelten Schuss Korn rein, am liebsten aber Genever. In der letzten Zeit sogar am allerliebsten, weil der Genever aus diesem bescheidenen, von irgendeinem Wagen gefallenen Fässchen ihn vor der ewigen Verdammnis gerettet hatte. Sie hatten ihn wieder laufenlassen müssen. Den Engländer hatte jemand anderes umgebracht.
    «Ach, Mine, sei doch nich’ so. Nur ’n halbes Glas, eins von den kleinen. Und ’ne Frikadelle? Die macht keiner so wie du. Keiner! Ich zahl morgen, ganz bestimmt. So ’ne patente Dame, die hat doch ’n Herz. Ich will ja nix geschenkt, nur ’n kleines Darlehen. Sozusagen. Frikadellendarlehen, is’ mal was Neues. Oder?»
    «Geh nach Hause, Knut. Hier ist Schicht für dich, bis du bezahlst, was du schon letzte Woche geschluckt hast. Frikadellendarlehen. Was denn noch? Bierdarlehen. Wie wär’s mit Backpfeifendarlehen? Wären wir ’ne Bank, wär ich nicht hier. Dann würde ich spazieren fahrn mit ’nem Kutscher in Livree.»
    Weibert schnaufte. Er stützte den Ellbogen auf den Tresen und das struppige Kinn in die Hand und blickte seelenvoll zu Mine auf. Vergeblich, das funktionierte schon lange nicht mehr. Die Seele glaubte ihm keiner und eine Wirtin in einer Kneipe wie Zum dicken Butt war gegen solche Versuche ohnedies immun. Jedenfalls bei struppigen Saufnasen.
    «Dann will ich dir was sagen, Mine. Das weiß noch keiner. Soll auch keiner wissen. Ich …»
    «Deine Geheimnisse gehen mich nichts an, Knut Weibert. Was keiner wissen soll, behalt mal schön für

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