Ein Gebet für die Verdammten
schaute Schwester Sétach an.
»Über den Tod des Mädchens, der vermutlich Ursache für das ganze Geschehen hier ist. Über den Freitod von Searc.«
»Wie interessant«, bemerkte Fidelma spitz und wartete auf eine weitere Erklärung.
Eine Weile schwiegen beide.
»Wir wollten überlegen, da Abt Ultán nun nicht mehr am Leben ist …« Schwester Sétach wurde rot und zog verunsichert den Kopf ein.
»… wollten überlegen, wie die Angelegenheit zwischen Connacht und Cill Ria in Frieden beigelegt werden kann«, beendete Dúnchad Muirisci den Satz.
Fidelma und Eadulf tauschten kurz einen Blick aus.
»Denkst du, es kommt dir jetzt zu, diesbezüglich eine Klärung herbeizuführen?« fragte sie Dúnchad Muirisci leise.
Der Thronerbe lächelte herablassend. »Ist doch klar, Schwester Sétach konnte sich unter den gegenwärtigen Umständen nicht an Muirchertach wenden. Da ich der
tánaiste
bin, versteht sich von selbst, daß sie zuerst mit mir reden wollte. Aber so wichtig ist die Sache nicht. Schwester Sétach und ich können uns ohne weiteres später darüber unterhalten.« Er schaute die junge Nonne an und nickte ihr zu. Sie verstand den Wink.
Eadulf dachte schon, Fidelma würde sie zurückhalten, doch sie hinderte sie nicht am Gehen. Mit raschen Schritten verließ das Mädchen den Raum.
»Also, worum geht’s?« fragte Dúnchad Muirisci, bemüht, wieder Herr der Lage zu werden. »Ich habe euch alles gesagt, was ich über Ultáns Tod weiß.«
»Wie vorhin schon bemerkt, sind wir nicht hier, um überseinen Tod mit dir zu sprechen. Auf der Wildschweinjagd heute früh wurde Muirchertach getötet.«
Falls Dúnchad Muirisci Erstaunen und Entsetzen heuchelte, gelang ihm das glaubhaft, fand Eadulf.
»Aber er war doch ein tüchtiger Reiter, warf treffsicher seinen Speer«, murmelte der
tánaiste
. »Einem wie ihm konnte ein Keiler nichts anhaben.« Er überlegte. »Und wieso erfahre ich erst jetzt davon?«
»Du irrst, wenn du denkst, er ist Opfer eines Jagdunfalls geworden«, erwiderte sie.
»Kein Jagdunfall?« Der junge Edelmann war wie betäubt. »Was dann?«
»Man hat ihn überfallen und mit seinem eigenen Speer ermordet.«
»Ermordet? Wer war es? War es ein Racheakt?«
»Dem gehen wir gerade nach.«
»Bruder Drón! Dieser Schleicher! Wo hat der sich zu der Zeit aufgehalten?«
»Wie gesagt, wir stellen eben unsere Nachforschungen an.«
Dúnchad Muirisci runzelte grübelnd die Stirn.
Erriet Fidelma seine Gedanken? Sie lächelte flüchtig und erklärte: »Demnach bist du der neue König von Connacht, vorausgesetzt, deine
derbhfine
beschließen das.« Die
derbhfine
waren das Wahlkollegium der Großfamilie, in der Regel gehörten ihm Vertreter von drei Generationen an, die den Nachfolger des Stammesfürsten bestimmten.
»Natürlich, natürlich«, murmelte Dúnchad Muirisci.
»Wiederum bist du auch einer der Hauptverdächtigen«, warf Eadulf trocken ein.
»Ich? Ich werde verdächtigt?« Dúnchad Muirisci starrte ihn verständnislos an, dann stieg Wut in ihm auf.
Doch noch ehe er eine Erwiderung parat hatte, fügte Fidelmahinzu: »So ist es. Am besten, du erzählst uns erst mal, wie du dir die Wunden an der Hand zugezogen hast.«
Weshalb sie nicht geradewegs nach dem belastenden Beweisstück, dem gebrochenen Hufeisen, fragte, verstand Eadulf nicht, hielt sich aber zurück.
Dúnchad Muirisci zögerte. »Das habe ich bereits geschildert, als ich zurückkam. Unten auf dem Burghof.«
»Ich hätte es gern noch einmal gehört.«
»Mein Pferd strauchelte, und ich wurde in ein Dornengestrüpp geschleudert. Dabei habe ich mir die Hand zerkratzt.«
»So etwas passiert dir, wo du überall als hervorragender Reiter und Jäger gerühmt wirst«, wunderte sich Fidelma.
Der Adelsherr aus Connacht verargte ihr den sanften Spott, bezähmte aber seinen Unmut. »Es war eine Situation, mit der ich nicht gerechnet hatte. Der Keiler kam unversehens auf uns zugerannt, und mein Pferd scheute. Es bäumte sich auf, und das alles kam für mich so überraschend, daß ich aus dem Sattel stürzte und im Dornbusch landete. Bis ich mich hochgerappelt hatte und wieder auf zwei Beinen stand, war mein Hengst davongaloppiert. Kann dem besten Reiter passieren«, schloß er trotzig.
Eadulf fühlte sich mehr als unbehaglich, er hatte schließlich ähnliche Erfahrungen gemacht.
»Du bist also ins Dornengestrüpp gefallen, und dann war dein Pferd weg«, faßte Fidelma zusammen. »Und wie ging’s weiter?«
»Das Wildschwein war
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