Ein Gebet für die Verdammten
verschmierte Blutflecke.
»Da haben wir’s. Der Täter ist hier durch und auf den Mauersims geklettert, der darunter verläuft. Weit balancieren mußte er nicht, denn gleich kommt die Mauerecke, und von dort gelangt man in einen anderen Gang. Erstaunlich, wie begangen unsere Mauersimse sind.«
Eadulf starrte noch immer auf den verräterischen Abdruck einer Hand. Doch Fidelma hatte sich schon umgedreht.
»Bring die Laterne zurück. Wollen mal sehen, was Fergus Fanat macht.«
Bruder Conchobhar blickte von seinem Arbeitstisch auf und lächelte gequält, als Fidelma und Eadulf hereinkamen. »Hab mir schon gedacht, ihr würdet bald kommen.«
»Wie geht es ihm?«
»Tot ist er jedenfalls nicht«, lautete die Auskunft, »aber noch immer bewußtlos.«
»Welcher Art sind seine Verletzungen?« fragte Eadulf, der sich in der Kunst der Ärzte ein wenig auskannte.
»Augenscheinlich hat er zwei Schläge auf den Hinterkopf bekommen. Da sind ganz deutlich zwei Platzwunden, doch ein Schädelbruch ist es wohl nicht. Wir müssen abwarten und können nur hoffen, daß er aus seiner tiefen Ohnmacht erwacht.«
»Weißt du, wann man wieder mit ihm wird reden können?«
»Lady, mein Wissen hat Grenzen. Er kann bald wieder aufwachen oder überhaupt nicht mehr. Ich habe da meine Erfahrungen. Falls er nicht zu sich kommt, fehlt die Nahrungszufuhr, und er wird sterben. Das passiert leicht nach Verwundungen bei lang andauernder Bewußtlosigkeit.«
Fidelma biß sich auf die Lippen. »Dürfen wir ihn sehen?«
»Wird nichts bringen, aber bitte sehr«. Der alte Mann glitt von seinem Hocker und führte sie in den hinteren Raum der Apotheke, in dem Verwundete behandelt oder Tote zum Begräbnis zurechtgemacht wurden. Erst vor wenigen Stunden hatte Muirchertach Nár dort gelegen und war für die Aufbahrung in der Kapelle hergerichtet worden.
Fergus Fanat lag, als schliefe er; sein flacher Atem war kaum wahrnehmbar. Der Kopf war in Binden gehüllt. Andere Verwundungen wies sein Körper nicht auf.
»Du hast recht, Bruder Conchobhar, wir können nichts weiter tun als warten«, sagte Fidelma nach einem kurzen Blick auf den Patienten. »Nur muß ich dir das Warten allein überlassen, wir müssen uns um andere Dinge kümmern.«
Im Hinausgehen blieb sie am Arbeitstisch des Heilkundigen stehen und schnupperte. »Der Geruch kommt mir bekannt vor. Was ist das?«
Bruder Conchobhar schaute auf Mörser und Stößel. »Ich zerstoße Lavendel«, erklärte er, benutzte aber den irischen Ausdruck
lus na túis
– Weihrauchkraut.
»Es duftet angenehm und beruhigend«, fand Fidelma, und Eadulf wußte zu berichten: »Die Römer brachten es vor einigen Jahrhunderten nach Britannien. Sie haben mit den Blüten ihren Badewässern Wohlgeruch verliehen, und deshalb benennen wir die Pflanze auch heute noch nach dem lateinischen Wort für ›waschen‹
lavare .«
»Ich baue Lavendel in meinem Kräutergarten an«, verriet Bruder Conchobhar. »Man nimmt es gern als ein Entspannung förderndes Mittel oder auch als Duftstoff, wie früher die Römer. Der Geruch ist kräftig und aromatisch.«
»Stimmt«, bestätigte Fidelma, dankte dem Apotheker und ging endgültig hinaus auf den Burghof, wo Caol sie schon erwartete.
»Gibt es etwas Neues, Lady?« fragte er gespannt.
»Nein. Fergus Fanat ist noch bewußtlos. Aber du könntest uns von Nutzen sein. Komm bitte mit.«
Ihr Ziel war die Herberge für die geistlichen Schwestern. Das Gebäude lag völlig im Dunkeln, alles schien zu schlafen. Wachsam musterte die Herbergswirtin die drei Ankömmlinge und fragte, wer sie seien und was sie wollten. Fidelma gab die nötige Auskunft.
»Dich kann ich einlassen, Lady, aber die Männer da nicht«, befand die Alte.
»Geht in Ordnung«, erwiderte Fidelma. »Die Männer werden hier auf mich warten. Ich möchte mit den Schwestern Sétach und Marga reden.«
Die Wärterin nahm eine Laterne und führte Fidelma zu den Schlafräumen.
Schwester Sétach lag wach im Bett. Als die Frauen hereinkamen, setzte sie sich auf und fuhr sie empört an. »Was soll das? Ihr erschreckt einen ja zu Tode!«
Fidelma schaute auf das Nachbarbett. Das war leer.
»Seit wann heute abend bist du hier?« fragte sie barsch.
»Ich bin gleich nach dem gemeinsamen Abendessen zu Bett gegangen.«
»Und du hast dich seither nicht fortgerührt?«
»Warum sollte ich?«
»Zeig mir deine Hände«, verlangte Fidelma.
»Meine Hände?« fragte Schwester Sétach verblüfft.
»Mach schon, ich will sie
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