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Ein Gebet für die Verdammten

Ein Gebet für die Verdammten

Titel: Ein Gebet für die Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Ermessensspielraum, der den Fénechus-Gesetzen eigen war. Und doch wollten einige Bischöfe und Äbte sie übernehmen.
    Solcher Art mit eigenen Gedanken beschäftigt, näherten er und Caol sich den Gästezimmern, die man für den Prälaten aus dem Norden eingerichtet hatte. Sie schritten in den düsteren Gang, den blakende Öllaternen erleuchteten, die an Mauervorsprüngen hingen. Der Hauptmann der Leibwache wies auf eine Tür in der Ecke, an der der Gang scharf nach rechts abbog. »Abt Ultáns Zimmer ist das letzte auf der Seite hier.« Die Tür war in die Wand eingelassen, an der sie eben entlanggingen, öffnete sich aber zum abbiegenden Teil des Ganges, in den sie keinen Einblick hatten.
    In dem Augenblick stolperte eine Gestalt rückwärts aus der Tür heraus, auf die Caol gerade gewiesen hatte. Es handelte sich um einen großgewachsenen Mann in einem bunten Überwurf. Sein Haar war schwarz, und er trug es schulterlang. Er schien völlig verstört, wie er so mit dem Rücken voran in den Gang strauchelte und unentwegt in den Raum starrte, aus dem er eben kam. Dann, ohne Brehon Baithenund Caol zu bemerken, drehte er sich um und verschwand in den anderen Teil des Gangs.
    Baithen und Caol blieben einen Augenblick verdutzt stehen und schauten sich an. Dann stürzten sie durch die offene Tür in das Zimmer des Abts.
    Drinnen brannte eine Lampe. Auf den ersten Blick wirkte das Gemach ordentlich und aufgeräumt. Ein Lichtschein fiel auf das Bett, und darauf lag eine merkwürdig auf dem Rücken hingestreckte Gestalt. Bekleidet war sie mit den Gewändern eines wohlhabenden Kirchenmannes, die freilich dunkle Flecken aufwiesen. Das Gesicht war kreidebleich, die Augen schreckhaft aufgerissen. Fast sah es komisch aus, so als hätte es jemandem überraschend die Beine weggerissen. Doch wirklich komisch war der Anblick nicht, denn die dunklen Flecken waren Blut, und der Mann war tot. Es war Ultán, Abt von Cill Ria und Bischof des Stammes der Uí Thiurtrí, der Abgesandte der Abtei Ard Macha.

KAPITEL 5
    Fidelma hatte das Gefühl, sie sei eben erst zu Bett gegangen. Doch da war Muirgen, ihre Kammerfrau, die rüttelte sie am Arm und drängte sie, aufzuwachen.
    Sie blinzelte und gähnte. »Wie? Schon aufstehen? Ist doch noch viel zu früh!« Im Zimmer war es dunkel, nur das flackernde Licht der Lampe, die Muirgen hochhielt, erhellte den Raum ein wenig. Sie spürte, wie besorgt ihre Vertraute klang, und war mit einem Mal hellwach. »Was ist passiert?«
    »Es ist dringend. Dein Bruder wünscht dich zu sehen.«
    Fidelma setzte sich auf und starrte ihre Kammerfrau an. Heute sollte ihre Hochzeit sein. Sie hatte bis zum Morgengrauenim Bett bleiben, dann aufstehen, Toilette machen, frühstücken und sich auf die Trauung einstimmen wollen. Sie blinzelte noch einmal. Im Zimmer war es kalt und schummrig, es mußte lange vor Sonnenaufgang sein.
    »Irgend etwas ist passiert«, meinte sie unwirsch und stieg aus dem Bett. »Nun rück schon raus, was ist los?«
    Muirgen schüttelte rasch den Kopf. »Ich weiß wirklich nichts, Lady, aber irgendwas stimmt nicht. Dein Bruder, der König, hat mich geschickt, er läßt ausrichten, du möchtest ihn sofort in seinem Privatgemach aufsuchen. Ich hab keine Ahnung, was das bedeutet.«
    »Ist mit Eadulf alles in Ordnung?« war ihre nächste besorgte Frage.
    »Der schläft tief und fest in seiner Kammer, Lady«, wurde ihr versichert.
    Es war nicht Fidelmas Art, weiter Fragen zu stellen, auf die sie keine Antwort erwarten konnte. So ging sie zum Waschtisch, auf dem eine Schüssel mit kaltem Wasser stand, und wusch sich Gesicht und Hände. Morgens ein Bad zu nehmen war nicht Brauch, wohl aber, sich mit
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einer Seife, Gesicht und Hände zu waschen und sich mit einem Leinentuch abzutrocknen. Fidelma brachte diese Prozedur rasch hinter sich. Derweil hatte Muirgen ein Kleid zurechtgelegt und reichte ihr dann einen kleinen Spiegel. Im allgemeinen schminkte sich Fidelma nicht und legte auch keinen Schmuck an. So wurde sie mit ihrer Toilette rasch fertig.
    Da es früh am Morgen recht kalt war, hatte die Kammerfrau ein Unterkleid aus Leinen gewählt, über das ein Wollkleid in gedeckten Farben gezogen wurde. Fidelma schlüpfte in die Schuhe, und Muirgen versorgte sie noch mit einem zarten Tuch, das sich um die Schultern schmiegte und bis zur Taille reichte.
    Fidelma verließ ihr Zimmer und eilte den Korridor entlang. Vor der Tür zur Kammer, die man Eadulf zugewiesen hatte, zögerte sie kurz. Das ganze Jahr

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