Ein Gebet für die Verdammten
oder weniger die einer Weltlichen. Es ist weithin bekannt, daß du dein Mutterhaus in Cill Dara verlassen und dich von ihm gelöst hast.«
»Das Kloster verlassen heißt aber nicht, sich vom Gelübde loszusagen«, wand Fidelma ein. »Eheleben und Mutterpflichten sind schwierig genug. Ich bin eine
dálaigh,
aber gleichzeitignoch Nonne zu sein, das ist kaum machbar. Ich brauche Rat, Laisran.«
Abt Laisran schaute auf die Erde und gab einen tiefen Stoßseufzer von sich, als wüßte er nicht aus noch ein. »Rat kann dir jetzt dein Ehemann viel besser geben. Bruder Eadulf, du hast vorhin gesagt, Fidelma allein müsse diese Wahl treffen. Aber du solltest die Stimme sein, auf die sie hört.«
Eadulf zuckte die Achseln. »Mein Rat ist, die Dinge zu lassen, wie sie sind. Ich sehe keinen Grund, warum sie sich einer solchen Entscheidung stellen sollte. Das ganze letzte Jahr über, während der Monate unserer Ehe auf Probe und der Geburt unseres kleinen Alchú, haben sich nur wenige über unser Verhältnis aufgeregt, und diese wenigen vertreten Ansichten, auf die zu hören sich nicht lohnt.«
Der Abt quittierte das mit einem Lachen. »Und Abt Ultán ist einer von ihnen«, sagte er und wandte sich an Fidelma. »Machen dich seine Einwände wirklich betroffen?«
Fidelma schüttelte den Kopf. »Ich habe betont, es wäre falsch, etwas bloß zu tun, um sich eine Auseinandersetzung mit einem Menschen wie Ultán zu ersparen. Vielmehr meine ich, ich muß mein Leben neu ordnen.«
»Dein Leben neu ordnen?« Abt Laisran lehnte sich zurück und hielt die Augen halb geschlossen. Seinem Tonfall war anzumerken, wie tief ihn ihre Wortwahl berührte. »Und dazu brauchst du meinen Rat? Meinst du nicht, daß Eadulfs Rat genügen sollte?«
Fidelma war enttäuscht. »Das hört sich an, als dächtest du wie er«, warf sie widerborstig hin.
Der Abt lachte in sich hinein. »Selbst wenn dem so wäre, würdest du deshalb deine Meinung ändern? Wenn du glaubst, Eadulf berät dich so schlecht, dann fürchte ich für eure Zukunft miteinander.«
Fidelma wurde puterrot. »Das habe ich doch nicht gemeint. Mit Eadulfs Ansichten stimme ich völlig überein. Aber verzeih, er ist voreingenommen. Ich baue auf dich, du hast mir früher so manchen guten Rat gegeben.«
»Und das will ich auch in Zukunft tun«, versicherte ihr der Abt. »Doch in diesem Falle, höre auf ihn und dazu auf dein Herz. Du wirst herausfinden, daß dir beide dasselbe raten.«
Brehon Baithen und Caol, der junge Hauptmann der Leibwache, waren unterwegs zu dem Gemach, das man Abt Ultán zugeteilt hatte. Wie es seinem Rang zustand, hatte man Ultán eines der Gästezimmer im Palas gegeben. Die geistlichen Gäste von geringerem Rang hatte man in Quartiere in der Stadt eingewiesen. Doch Abt Ultán hatte einen solchen Aufruhr verursacht, daß man sich gezwungen sah, seinem Verwalter und Berater, Bruder Drón, eine Kammer in der Nähe einzuräumen. Die Frauen in seinem Gefolge waren in der dafür vorgesehenen Herberge in einem anderen Teil der Burg untergebracht.
Baithen war sich dessen bewußt, daß er letzten Endes für die Sicherheit der vielen hochmögenden Gäste verantwortlich war, die sich in Cashel eingefunden hatten. Er war erst vor kurzem auf den Richterstuhl des Brehon von Muman gesetzt worden und hatte bereits zu spüren bekommen, wie übel es ihm viele nahmen, daß er Dathal, den vorigen Brehon, verdrängt hatte. Doch Dathal hatte man als Richter absetzen müssen, er hatte zu viele Fehlurteile gefällt. Nachdem er ungerechtfertigter Weise Bruder Eadulf angeklagt hatte, Bischof Petrán ermordet zu haben, war es vollends unmöglich geworden, ihn im Amt zu belassen.
Bischof Petrán! Brehon Baithen mußte tief Luft holen beidem Gedanken an ihn. Das war einer vom selben Schlage gewesen wie Bischof Ultán; hatte er sich in eine Glaubensauffassung verbissen, hielt er unwandelbar an seiner engstirnigen Auslegung fest, spielte sich als Autorität auf und war entschlossen, jeden dazu zu bringen, ihm bedingungslos zuzustimmen. Als Richter, der nach dem altirischen Gesetzbuch
Fénechus
Recht sprach, war Baithen oft mit Petrán aneinandergeraten, denn der wollte den fremdländischen Gesetzen und Richtlinien Roms Geltung verschaffen. Baithen kam in den Sinn, daß er Abt Ultán ohne viel Federlesens aus Cashel ausweisen könnte, wenn er sich an eben diese Gesetze hielte. Den römischen Regeln, den Pönitenzbüchern, wie sie genannt wurden, fehlte die Großzügigkeit und der
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