Ein gefährlicher Gegner
Cooper, gnädige Frau.»
«Gut, Prudence. Ich bin zum Mittagessen nicht da. Die Köchin wird Ihnen zeigen, wo sich alles befindet.»
10
T uppence fielen ihre neuen Aufgaben nicht allzu schwer. Die Töchter des Pfarrers hatten zu Hause alle Hausarbeiten gründlich gelernt. Sie brauchte also nicht zu befürchten, der Arbeit nicht gewachsen zu sein. Aber die Köchin war ihr ein Rätsel. Offensichtlich lebte sie in entsetzlicher Angst vor ihrer Gnädigen und Tuppence hielt es für durchaus möglich, dass Mrs Vandemeyer sie auf irgendeine Weise in der Hand hatte. Im Übrigen – das konnte Tuppence noch an diesem Abend feststellen – kochte sie wie ein großer Küchenchef. Mrs Vandemeyer erwartete zum Essen einen Gast und Tuppence hatte für zwei Personen gedeckt.
Einige Minuten nach acht klingelte es und Tuppence ging etwas aufgeregt zur Tür. Sie fühlte sich erleichtert, als sie sah, dass der Besucher der eine der beiden Männer war, denen Tommy gefolgt war.
Er nannte sich Graf Steppanow. Tuppence meldete ihn und Mrs Vandemeyer erhob sich mit einem leisen Ausruf der Freude von der niedrigen Couch, auf der sie gesessen hatte.
«Wie schön, Sie wiederzusehen, Boris Iwanowitsch!»
«Gnädige Frau!» Er beugte sich tief über ihre Hand.
Tuppence kehrte in die Küche zurück. «Graf Steppanow oder so ähnlich», erklärte sie und zeigte nun eine in ihrer Rolle ganz natürliche Neugier: «Wer ist denn das?»
«Wohl ein Russe.»
«Kommt er oft her?»
«Ab und zu. Warum wollen Sie denn das wissen?»
«Ich dachte nur – ob er vielleicht unserer Gnädigen den Hof macht?», erklärte Tuppence und fügte ein wenig mürrisch hinzu: «Das ist doch schließlich interessant.»
«Ach was», sagte die Köchin, «mein Souffle macht mir Sorgen.»
Während Tuppence bei Tisch servierte, horchte sie auf jedes Wort. Sie dachte daran, dass der Graf ja einer der Männer war, denen Tommy gefolgt war, als sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. Sie spürte, obwohl sie es sich nicht eingestand, einige Unruhe darüber, dass sie nichts von Tommy hörte. Wo war er nur? Bevor sie das Ritz verließ, hatte sie gebeten, ihr alle Post sogleich durch Eilboten in ein in der Nähe gelegenes Schreibwarengeschäft zu schicken, in das Albert des Öfteren ging. Gewiss, erst gestern Vormittag hatte sie sich von Tommy getrennt und sie sagte sich, dass es töricht sei, sich jetzt schon Sorgen um ihn zu machen. Immerhin war es sonderbar, dass sie keine Nachricht von ihm hatte.
So aufmerksam sie auch lauschte, die Unterhaltung gab ihr nicht die geringsten Anhaltspunkte. Boris und Mrs Vandemeyer unterhielten sich über völlig gleichgültige Dinge. Nach dem Essen zogen sie sich in den kleinen Salon zurück, wo sich Mrs Vandemeyer auf der Couch ausstreckte. Sie sah schöner und gefährlicher aus denn je. Tuppence brachte Kaffee und Kognak und zog sich nur widerstrebend zurück. Während sie hinausging, hörte sie Boris sagen: «Sie ist neu, nicht wahr?»
«Sie ist heute gekommen. Die andere war ekelhaft. Aber die scheint ganz ordentlich zu sein.»
Tuppence verweilte noch einen Augenblick länger an der Tür, die sie nicht ganz geschlossen hatte, und hörte ihn sagen: «Sie ist doch wohl ungefährlich?»
«Wirklich, Boris, Sie übertreiben. Ich glaube, sie ist eine Bekannte des Liftboys. Im Übrigen ahnt niemand auch nur das Geringste davon, dass ich zu unserem gemeinsamen Freund, Mr Brown, Beziehungen unterhalte.»
«Um Gottes willen, Rita, seien Sie vorsichtig! Die Tür ist ja nicht einmal zu.»
«Na gut, dann schließen Sie sie doch», rief sie.
In aller Eile zog sich Tuppence zurück.
Sie wagte nicht, allzu lange der Küche fernzubleiben, aber sie räumte auf und spülte das Geschirr mit einer Geschwindigkeit, die sie ihrem Aufenthalt im Lazarett verdankte. Dann schlich sie wieder zur Tür des kleinen Salons.
Aber leider ging die Unterhaltung so leise vor sich, dass auch nicht ein Wort zu hören war. Sie hätte viel darum gegeben zu Wissen, wovon die Rede war. Hatte sich wirklich etwas Unvorhergesehenes ereignet, war es ja immerhin möglich, dass sie eine Nachricht über Tommy aufschnappte… Sie dachte einige Augenblicke angestrengt nach und dann hellte sich ihr Gesicht auf. Schnell ging sie über den Gang in Mrs Vandemeyers Schlafzimmer, das Fenstertüren besaß. Sie führten auf einen Balkon, der an der ganzen Wohnung entlanglief. Sie trat rasch hinaus und schlich lautlos bis zu dem Fenster des kleinen Salons. Es stand, wie sie
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