Ein gefährlicher Gentleman
nach Miles’ Geburt geheiratet. Damals waren sie auch auf das Anwesen der Daudets gezogen. Kein Tropfen Blut war Elizabeth und ihm gemein. Er war sich dessen durchaus bewusst. Denn dieses Wissen hatte sein Leben durcheinandergebracht.
Sie brachte sein Leben durcheinander.
Am heutigen Abend trug sie ein berückend schönes Kleid aus altrosafarbenem Tüll, das die oberen Rundungen ihrer Brüste enthüllte. Der tiefe Ausschnitt betonte die schlanke Linie ihres Halses. Ihr schimmerndes Haar trug sie hochgesteckt, und im Augenblick ruhten ihre Augen, die von jenem signifikant hellen, silbrigen Grau waren, das allen Daudets gemein war, mit stolzer Missachtung auf ihm. Ihre Wangen waren leicht gerötet und verrieten ihren Zorn.
Sie war keine klassische Schönheit. Dennoch konnte man sie schön nennen. Es fiel ihm schwer, den genauen Grund zu nennen. Er würde liebend gerne sein Leben damit verbringen, diese Schönheit in Worte zu fassen. Die strahlenden, von langen Wimpern umrahmten Augen beherrschten ihr zartes Gesicht. Ihr Kinn war eine Spur zu eckig, die Nasenspitze etwas zu sehr nach oben gerichtet … Als sie jünger war, hatte ihr dieses Aussehen etwas Elfengleiches verliehen. Sie hatte nur aus Augen und langen, lockigen Haaren bestanden. Als Frau jedoch verlieh es ihr etwas Besonderes, das sie vom perfekten, blonden und unvergleichlichen Ideal, das die feine Gesellschaft bevorzugte, abhob. Ihre Haarfarbe konnte man nur schwer beschreiben. Die Wellen waren von einem dunklen Kastanienbraun, auf dem kleine, goldene Lichter funkelten.
Ein Teil ihrer Anziehungskraft war aber ihre Lebendigkeit, das wusste er aus eigener Erfahrung. Selten tat Elizabeth etwas nur halbherzig. Irgendein armer, ahnungsloser Mann würde später einen Großteil seiner Zeit damit zubringen, sie aus Schwierigkeiten rauszuhalten, sobald sie ihn geheiratet hatte.
Ein sehr glücklicher Mann. Dieser Glückspilz.
Inzwischen starrte sie ihn mit unverhohlenem Ärger an. Nun, das war für ihn nichts Neues.
»Luke hat es geschafft, den Krieg in Spanien zu überleben«, bemerkte Miles und erwiderte ihren Blick mit gelassenem Gleichmut. »Er ist adelig, wohlhabend und dreißig Jahre alt. Du musst ihn nicht bemuttern. Ich wage sogar zu behaupten, dass es ihn ziemlich verärgern würde, wenn er von dieser Unterhaltung erfährt.«
Sie verschränkte die Arme unter ihren Brüsten und nahm eine geradezu kämpferische Pose ein. »Nun, er wird aber nicht von diesem Gespräch erfahren, oder? Und ich finde immer noch, du solltest wenigstens mit ihm reden. Aus mir völlig unerfindlichen Gründen mag er dich nämlich.«
Elizabeth konnte sticheln wie keine Andere. Miles schwieg einen Moment, ehe er antwortete: »Dein Talent, Komplimente zu verteilen, ist meinem ja fast ebenbürtig. Ich könnte jedenfalls aus dem Stegreif eine Menge Gründe aufführen, weshalb er mich mögen könnte. Zunächst einmal – und ich vermute, der Grund gehört zu den wichtigsten – habe ich keine Lust, mich in sein Leben einzumischen.«
»Ich habe dich bloß gebeten …«
»Nein.« Ein paar vertraute Takte wehten vom Orchester herüber. Miles hob seine Brauen und blickte seine Cousine warnend an. »Das Thema ist erledigt, El. Wollen wir vielleicht tanzen? Es sei denn, du möchtest den nächsten Walzer lieber Porter zusprechen. Er kommt nämlich gerade in unsere Richtung.«
Das Ablenkungsmanöver funktionierte. Etwas Panisches flackerte in ihrem Blick auf. »Ich würde lieber mit dir als mit ihm tanzen. Komm.«
»Ich fühle mich natürlich geschmeichelt.« Er nahm ihre Hand und führte sie zur Tanzfläche. »Porter ist schließlich sterbenslangweilig.«
Elizabeth besaß die Güte zu lachen. Sie lag voller Anmut in seinen Armen und ließ sich von ihm im Walzertakt führen. Natürlich bestand zwischen ihnen nach wie vor eine höfliche Distanz. Ihre Hand ruhte züchtig auf seiner Schulter.
Sie hatten unzählige Male miteinander getanzt, da sie einen gemeinsamen Tanzlehrer gehabt hatten und die meiste Zeit zusammen lernten. Es war ihnen ins Blut übergegangen, sich im perfekten Gleichklang zu der beschwingten Musik zu bewegen. Die Muster ihrer Schritte waren vorhersehbar, und ihr Körper schmiegte sich provozierend gegen seinen.
Es war eine unbewusste Bewegung, das wusste er. Ihre weiten Röcke streiften seine Beine. Er zumindest fand sie provozierend, obwohl sie sich anständig verhielten. Jene Tanzstunden mit ihr waren für ihn der Himmel gewesen. Ein Himmel, in den jemand eine
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