Ein gefährlicher Gentleman
täuschend sanft. »Geht wieder hinein und genießt die Vergnügungen des Abends. Dann werde ich vergessen, was Ihr gerade gesagt habt.«
Sie schüttelte den Kopf. »Gehen wir doch lieber woanders hin und reden weiter. Die Straße scheint mir ein zu öffentlicher Ort dafür.«
»Wofür?«
»Für uns«, sagte sie fest, obwohl ihr Herz bis zum Hals schlug und ihre Handflächen schweißnass waren. Will ich das wirklich tun?
Sie wollte es. Warum auch nicht? Sie war kein junges Mädchen, das nach einer vorteilhaften Vermählung schielte. Sie hatte dieses Glück bereits erfahren dürfen, diese Zeiten waren für sie unwiderruflich vorbei. Als Colin verstorben war, hatte dieser Verlust sie völlig zerstört. Und auch wenn dieser Schmerz sie nie völlig verlassen würde, war er manchmal doch gedämpft, und die scharfen Kanten wurden zwischenzeitlich durch die Erinnerung abgeschliffen. Sie war nach seinem Tod wohlhabend und unabhängig. Wenn sie sich einen Liebhaber nehmen wollte, gab es keinen Grund, das nicht zu tun. Die skandalösen Folgen, die es hätte, wenn sie sich auf eine Beziehung mit Viscount Altea einließ, waren ein bisschen beängstigend. Aber Witwen genossen eindeutig mehr Freiheiten als unverheiratete Frauen, und sie war schließlich bald dreißig und wohl kaum mehr in der Blüte ihrer Jugend. Sie war nicht auf der Suche nach einem zweiten Ehemann. Wieso sollte sie sich nicht einen mannhaften, attraktiven Liebhaber nehmen, von dem sie wusste, dass er im Schlafzimmer seine zärtlichen, verdorbenen Fähigkeiten zu ihren Gunsten einzusetzen wusste? Er war gewitzt und charmant, wenn er wollte. Und obwohl sie eine dunkle Seite spürte, die er sorgfältig vor ihr verbarg, würde er sie doch gut behandeln.
Zwischen ihnen bestand eine Anziehungskraft, die schon einmal entflammt war. Sie war es leid, es noch länger zu leugnen. Und er selbst hatte erst letztens zugegeben, dass er sie wollte.
Er bewegte sich nicht. In seinen Augen blitzte etwas auf. »Es gibt kein uns , liebe Madge.«
»Habt Ihr jene Nacht schon vergessen?« Weil sie sich der Leute bewusst war, die bei den Kutschen warteten, und fürchtete, jemand könne ausgerechnet jetzt neugierig aus einem Fenster blicken, berührte sie ihn nicht. Obwohl sie es wollte. Aber ihre Stimme senkte sich zu einem heiseren Flüstern. »Ich nicht.«
»Ein Fehler«, bemerkte er knapp. Aber er blieb stehen.
»Dann ist es wohl unser Fehler.« Madeline lächelte. Es war das Lächeln einer schlauen Füchsin, sie versuchte alles, seine Meinung zu ändern. Er wirkte noch immer seltsam ungerührt. Sie konnte jedoch spüren, wie etwas in ihm rang. »Wollen wir unseren gemeinsamen Leichtsinn woanders bereden?«, schlug sie vorsichtig vor. »Zum Beispiel in meinem Schlafzimmer?«
Vielleicht lag es an der gehörigen Portion Claret oder es war einfach die Kapitulation, nachdem sie ihm unmissverständlich dieses eindeutige Angebot gemacht hatte. Luke fluchte jedenfalls kaum hörbar. Sie verstand nicht genau, was er sagte, doch das eine oder andere ungehörige Wort schnappte sie auf.
Trotzdem entflammte in seinen Augen eine lodernde Hitze.
Genau das wollte sie.
»Dass Ihr mir nach draußen gefolgt seid, wird bei Sonnenaufgang in ganz London bekannt sein«, erklärte er ihr. Aber er hatte bereits die Hand gehoben, um ihrem Kutscher zu signalisieren, er solle die Kutsche heranfahren. Da sie den neugierigen Augen unzähliger Beobachter ausgesetzt waren, gehorchte der Mann auf der Stelle.
Das war ein erschreckender Gedanke, doch sie redete sich ein, sie sei bereit, das Flüstern hinter vorgehaltener Hand zu ertragen. Er hatte natürlich recht. Ihr plötzliches Verschwinden direkt nach seinem Abschied hatten alle bemerkt, und sie war sicher, ihr Gespräch auf offener Straße vor dem schicken Haus der Masters war ebenso interessiert zur Kenntnis genommen worden.
»Wie auch schon Eure leichtsinnige Wette. Ich dachte daher, Ihr macht Euch nichts aus Eurem schlechten Ruf«, bemerkte sie ironisch. In den letzten zwölf Monaten hatte sie jeden Tag an ihn gedacht. Und wenn sie ihn nur bekam, solange man über sie redete, dann nahm sie das gerne in Kauf.
»Das tue ich aber«, widersprach er. »Und das ist es auch, was mich zurückhält. Außerdem wisst Ihr, wie meine Meinung zu einer dauerhaften Bindung ist.« Eine elegante Augenbraue hob sich. »Ich denke nur an Euren Ruf, nicht an meinen. Wollt Ihr dieses Gespräch noch immer in Eurem Boudoir fortführen, Lady Brewer? Denkt nur an die
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