Ein gefährlicher Gentleman
geknackt. Zweimal erklang ein Klicken, dann betrat er das dunkle, stille Haus.
Das ist einfach nur unüberlegt und bar jeder Vernunft, dachte Luke. Er huschte den Korridor entlang. Hätte er nicht mit zusammengebissenen Zähnen das Martyrium des Dinners ertragen müssen, hätte er Madelines Einladung nicht angenommen. Vielleicht lag es an der Menge Claret, die er in sich hineingekippt hatte. Doch das bezweifelte er. Inzwischen konnte er wieder klar denken, aber irgendwie kam es ihm vor, als sei sein Urteilsvermögen immer noch ein wenig getrübt. Es lag eindeutig nicht am Wein.
Es lag an ihr . Die petrolfarbene Seide und der Spitzenbesatz ihres Mieders, ihre dunklen, leicht mandelförmigen Augen, die seinem Blick offen begegneten, die Andeutung geröteter Wangen, als sie ihr albernes und leichtsinniges Angebot aussprach.
Er sollte ihr begreiflich machen, wie dumm ihr Vorgehen war.
Oder er liebte sie einfach.
Natürlich hatte es in seinem Leben andere Frauen gegeben, die er mit ins Bett genommen hatte. Er war kein Mönch und schon gar kein Heiliger, und er wollte das auch nicht werden. Aber keine der zwanglosen Liaisons, die er seit ihrer gemeinsamen Nacht eingegangen war, hatte die Erinnerung an sie auszuradieren vermocht.
Eine Nacht. Nur diese eine Nacht. Er sollte sie lieber vergessen. Gott allein wusste, wie sehr er es versucht hatte. Er hatte die anderen Frauen seitdem stets leicht wieder vergessen, aber die waren auch gelangweilte, verdorbene adelige Ladys gewesen, die von ihm nichts anderes erwartet hatten, als ein, zwei Nächte voll zwangloser Leidenschaft und ohne Bindungen. Darin ähnelten sie ihm. Die Begegnungen waren körperlich befriedigend gewesen, aber sie berührten seine Seele nicht.
Sie war anders. Sie war keine Frau, die sich leichtfertig hergab.
Verdammt noch mal. Kein wahrer Gentleman würde absichtlich riskieren, ihren Ruf zu ruinieren. Vielleicht verriet ihm das etwas über seinen Charakter, was er schon seit Langem vermutete.
Er eilte verstohlen die Treppe hinauf und ging an der ersten Tür vorbei. Dann sah er den Lichtschimmer, der unter ihrer Tür hervordrang. Lautlos drehte sich der Knauf in seiner Hand.
Eine einzelne Lampe verbreitete ein sanftes Licht, das ihre ansprechende Gestalt beleuchtete. Sie war in einen tiefblauen Morgenmantel gekleidet. Ihr Haar hatte sie gelöst, es ergoss sich schimmernd und silbrig über ihren Rücken und reichte bis zu den weiblichen Rundungen ihrer Hüften. Sie stand am Fenster. Die Gardine fiel wieder vor das Fenster, als sie nach Luft schnappte und zu ihm herumfuhr. Die Tür schloss sich mit einem Klicken. »Ich habe Euch nicht kommen gehört.«
»Ein fünf Jahre währender Kampf gegen die Franzosen auf spanischem Grund fördert einzigartige Talente.« Sein Blick glitt über die weiblich anmutende Einrichtung. Blassgelbe Seidentapeten bedeckten die Wände, und das Blumenmuster wiederholte sich in dem dichten Teppich. Das mit reichem Schnitzwerk verzierte Bett wurde von Samtvorhängen umgeben, und in der Ecke stand ein Schrank aus der Zeit Königin Annes. Ihr Toilettentisch war erstaunlich leer, dort lag neben ein paar Kristallfläschchen mit Parfüm lediglich eine Bürste. Jemand mit ihrer berückenden Schönheit brauchte allerdings auch keine Kosmetika. Er drehte sich um und sagte unverblümt: »Ich kann immer noch gehen.«
»Wollt Ihr denn gehen?«
»Nein.«
»Gut. Für einen gefeierten Wüstling seid Ihr bemerkenswert höflich.« Madeline lächelte zu seinem Unglück überaus verlockend. »Ich finde diese Diskussion wirklich überflüssig, Mylord. Ich bin keine unschuldige Maid. Ihr müsst keinen erzürnten Vater fürchten, der Satisfaktion fordert, und es gibt keinen wütenden Ehemann, der uns stört. Ich verstehe nicht, wieso Ihr so viele Vorbehalte habt.«
Das konnte sie auch nicht. Seine Vorbehalte waren nicht völlig selbstlos. Natürlich dachte er an ihren Ruf. Aber das war nicht alles. Wenn die Affäre mit ihm publik wurde, litt ihr Ruf darunter. Aber ihn beschäftigte auch die Frage, wie sie ihm gleichgültig bleiben konnte. Ich brauche ihr nicht meine Seele zu offenbaren , erinnerte er sich. Ihre Nähe und die Tatsache, dass sie so wenig trug, überrollten seine Sinne geradezu, und in ihm erwachte jene ursprüngliche, männliche Antwort auf sie, die so alt war wie die Menschheit.
Sie war sein, er durfte sie sich nehmen. Gott allein wusste, wie sehr er sie wollte.
»Also gut«, stimmte er zu. Ein wölfisches Lächeln umspielte
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