Ein gefährliches Geschenk
ihr vermutlich die Vorstellung ein, dass ihm endlich einmal der große Coup gelungen war. Aber nichts und niemand konnte sie davon überzeugen, dass Jack O’Hara etwas mit dem Mord zu tun hatte. Ein Lügner, ein Betrüger, ein Dieb mit einem äußerst flexiblen Gewissen, okay, diese Attribute passten ihm wie angegossen. Aber jemandem körperlichen Schaden zufügen? Das war unmöglich.
Er hatte nie eine Waffe bei sich getragen, weil er eine regelrechte Waffenphobie hatte.
Ihr fiel die Geschichte ein, wie er nach seinem ersten Einbruch eine Katze angefahren hatte. Er hatte nicht nur angehalten, um nach dem verletzten Tier zu sehen, sondern hatte es sogar zum Tierarzt gebracht. Und dort hatte die Polizei das Auto - das natürlich gestohlen war - auf dem Parkplatz entdeckt.
Die Katze wurde wieder gesund und lebte noch ein langes, glückliches Leben. Big Jack wanderte in den Knast.
Nein, mit dem Mord an Jerome Myers hatte er nichts zu tun.
Aber es konnte ja auch sein, dass er irgendeinem Mistkerl aufgesessen war. Dass er sich in etwas hatte hineinziehen lassen, das größer und übler war, als er geglaubt hatte. Vielleicht hatte ihm ja jemand eine glänzende Karotte vor die Nase gehängt und ihn hinterherhoppeln lassen?
Das konnte sie sich durchaus vorstellen.
Also hatte er Willy zu ihr geschickt, damit er ihr etwas sagte oder gab, aber leider starb er, bevor er das tun konnte.
Aber er hatte versucht, sie zu warnen. Er weiß, wo du jetzt bist.
Hatte er Max gemeint? Hatte er Max gesehen und war voller Panik auf die Straße gerannt?
Versteck den Köter. Was zum Teufel hatte er damit gemeint?
Vielleicht hatte sie ihn ja missverstanden, vielleicht hatte er ja ganz etwas anderes gesagt. Auf jeden Fall hatte er ihr nichts gegeben. Und wenn er etwas bei sich gehabt hätte, hätte die Polizei es gefunden.
Und überhaupt waren das alles nur blöde Vermutungen, die auf dem Wort eines Mannes beruhten, der sie angelogen hatte.
Sie stieß die Luft aus. Wie konnte sie so tun, als ob Aufrichtigkeit das einzig Wahre wäre, wenn sie selber eine Lüge lebte?
Sie musste Vince und Jenny alles erzählen. Wahrscheinlich lag es an ihrer Erziehung, dass sie eine solche Scheu davor hatte, einem Polizisten Informationen zu geben. Aber das musste sie jetzt überwinden. Sie musste sich nur noch überlegen, wie sie es ihnen am besten beibrachte.
»Lass uns spazieren gehen, Henry.«
Die Worte wirkten wie ein Zauberspruch. Der Hund, der eben noch friedlich geschnarcht hatte, sprang mit einem Satz auf und lief zur Haustür. Ein Spaziergang würde Klarheit in ihren Gedanken schaffen, dachte sie, und sie konnte sich in aller Ruhe ausdenken, wie sie es ihren Freunden am besten sagte.
Sie öffnete die Haustür, und Henry schoss hinaus wie eine Kanonenkugel. In dem Moment sah sie, dass Max’ Wagen am Ende der Straße stand. Er saß hinter dem Steuer, die Augen hinter einer dunklen Sonnenbrille verborgen. Aber er hatte sie wohl offen, denn er stieg aus, noch bevor sie die Haustür wieder geschlossen hatte.
»Was zum Teufel tust du hier?«
»Ich habe dir doch gesagt, dass du in Gefahr bist. Vielleicht liegt das zum Teil an mir, vielleicht aber war es auch schon vorher so. Ich werde auf jeden Fall ein Auge auf dich haben, ob es dir nun gefällt oder nicht.«
»Ich habe gelernt, auf mich selber aufzupassen. Das hat mir mein Vater zur selben Zeit beigebracht wie Kartentricks. Ich brauche niemand anderen als Henry.«
Da Henry gerade dabei war, auf einen Baum zu klettern, um einem Eichhörnchen hinterherzujagen, warf Max ihm nur einen verächtlichen Blick zu. »Ich bleibe.«
»Wenn du glaubst, an deine fünf Prozent zu kommen, indem du mein Haus beobachtest, wirst du enttäuscht sein.«
»Ich glaube nicht, dass du etwas damit zu tun hast. Zunächst ja«, fügte er hinzu, als sie sich schnaubend umdrehte und weggehen wollte. »Als ich dich kennen lernte, dachte ich zuerst, ich wäre auf der richtigen Spur. Ich habe dich überprüft, und es gab ein paar Ungereimtheiten. Aber dann habe ich dich nicht mehr mit beruflichen Augen gesehen.«
»Vielen Dank. Und warum bist du dann in meinen Laden eingebrochen?«
»Mein Klient möchte Fakten, keine Gefühle - allerdings haben sie mir einen ordentlichen Vorschuss gegeben, der nur auf meinem Instinkt basiert. Ich bin in deinem Haus gewesen - mit dir«, fügte er hinzu, als sie scharf den Kopf wandte. »Eine Frau, die auch nur einen kleinen Teil von fast dreißig Millionen Dollar bei sich versteckt,
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