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Ein Gentleman wagt - und gewinnt

Ein Gentleman wagt - und gewinnt

Titel: Ein Gentleman wagt - und gewinnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Ashley
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Lippen schüchterten sie nicht ein. Nun würde er endlich erfahren, wie sehr sie unter seiner kalten Gleichgültigkeit litt – nachdem er ihr in ihrer Kindheit so viel Liebe und Güte bewiesen hatte.
    “Du bist nicht mehr der Mann, der mich vor fünfzehn Jahren hierherbrachte, Großvater. Damals warst du freundlich und rücksichtsvoll …” Täuschte sie sich, oder zuckte ein Muskel an seinem Kinn, bevor er ihr den Rücken kehrte und zum Porträt seiner verstorbenen Frau aufblickte, das an einem Ehrenplatz über dem Kamin hing. “Indes änderte sich das abrupt, als ich mich weigerte, deinen kostbaren Patensohn zu heiraten, nicht wahr?”
    “Zweifellos war die Art und Weise deiner Ablehnung unverzeihlich”, erwiderte er mit rauer Stimme und wandte sich wieder zu ihr um.
    “Gewiss, ich habe mich unhöflich benommen”, gab sie zu. “Aber ich war gerade erst siebzehn. Und du hattest mir vorher keine Gelegenheit gegeben, mit dir darüber zu sprechen – allein, unter vier Augen …”
    Abigail bekam keine Antwort, und wie sie seiner ablehnenden Miene entnahm, würde er ihren Standpunkt wohl niemals akzeptieren.
    “Was in der Vergangenheit geschehen ist, kann ich nicht ändern, Großvater”, fuhr sie fort. “Und offen gestanden – ich würde es auch gar nicht versuchen, selbst wenn es möglich wäre. Niemals könnte ich mich mit einem Mann vermählen, den ich weder liebe noch achte.”
    Wieder einmal traf sie jener kalte, harte Blick, an den sie sich im Lauf der Jahre gewöhnt hatte. “Wieso sagst du das? Als kleines Mädchen mochtest du ihn.”
    “Ja, vielleicht – ein wenig”, seufzte sie, nachdem sie kurz nachgedacht hatte. “Doch Kinder werden erwachsen, Großvater. Wir hätten nicht zueinander gepasst.”
    Ungeduldig winkte er ab. “Und wie kannst du einen Gentleman nicht achten, der seinem Vaterland im Krieg gegen Frankreich so hervorragende Dienste erwiesen hat? Seine Tapferkeit wurde sogar vom Prinzregenten gewürdigt. Also wirklich, deine Ansichten übersteigen mein Begriffsvermögen.”
    “Hier geht es nicht um Bartons Heldentaten auf dem Schlachtfeld”, betonte Abigail, “sondern um seine Prinzipien.”
    “Prinzipien!”, stieß der Colonel hervor. “Sei versichert, mein Mädchen, Bartons Grundsätze sind über jeden Verdacht erhaben. Wäre er an jenem Tag nicht dazwischengetreten, hätte ich dir eine wohlverdiente Tracht Prügel verabreicht.”
    Falls er erwartete, dieses Geständnis würde Abigail für seinen Patensohn einnehmen, den er stets bewundert hatte, belehrte sie ihn eines Besseren. “Damit tat er mir keinen Gefallen. Viel lieber hätte ich Schläge ertragen als dein liebloses Verhalten.” Als der alte Mann den Mund öffnete und protestieren wollte, ließ sie ihn nicht zu Wort kommen. “Nach meiner Großjährigkeit überlegte ich, ob ich dieses Haus verlassen sollte, in dem ich wie ein besserer Dienstbote behandelt werde. Sicher wäre ich fähig gewesen, mich selbst zu ernähren. Wenn du glaubst, davor hätte ich mich gefürchtet, irrst du dich ganz gewaltig. Nein, ich blieb hier, weil ich hoffte, eines Tages würdest du mir verzeihen und unsere frühere innige Verbundenheit könnte wieder aufleben. Doch dieser Illusion gebe ich mich nicht länger hin.”
    Seiner verächtlich gerunzelten Stirn merkte sie an, dass er ihre Ankündigung, sie würde von jetzt an für sich sorgen, nicht ernst nahm. Dann herrschte er sie an: “Mach dich nicht lächerlich, Kind! Wie willst du denn deinen Lebensunterhalt verdienen?”
    Sie ließ sich von seinem geringschätzigen Ton nicht entmutigen. Herausfordernd hielt sie seinem frostigen Blick stand. “Nun, ich würde die Stellung einer Wirtschafterin antreten. Immerhin führe ich dir seit fast sechs Jahren den Haushalt. Oder ich arbeite als Gouvernante. Ich hatte Zeit im Übermaß, meine Kenntnisse zu schulen, während ich von dir ignoriert wurde.”
    Voller Genugtuung beobachtete Abigail, wie die Arroganz in seinen Augen einer gewissen Unsicherheit wich.
    “Außerdem”, fügte sie hinzu und schaute zu dem Porträt über dem Kamin hinauf, “könnte ich das künstlerische Talent nutzen, das ich von Großmutter geerbt habe. Was im Übrigen niemandem außer dir entgangen ist … Und ich schließe eine Heirat nicht völlig aus. Aber falls ich jemals eine Ehe erwäge, werde ich mich nicht für unseren Hausarzt entscheiden, obwohl ich seine Freundschaft schätze. Und keinesfalls für deinen großartigen Patensohn, der mich abstößt.”
    Wütend

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