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Ein Geschenk der Kultur

Ein Geschenk der Kultur

Titel: Ein Geschenk der Kultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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unhöflich sein, es einfach abzubrechen. Wenn ich mich richtig erinnere, deutete er auf das SF-Buch, das zwischen meinem Bein und der Armstütze klemmte.
    »Sie glauben also an solches Zeug, ja?« Er sprach mit schottischem Akzent, allerdings nicht sehr ausgeprägt; vielleicht Edinburgh oder die Borders.
    Ich seufzte. Da haben wir die Bescherung, dachte ich.
    »Verzeihung? Wie meinen Sie das?«
    »UFOs und all solche Sachen.«
    »Eigentlich nicht.« Ich strich mit dem Finger über die Seiten des Taschenbuchs, als ob ich mir davon eine Eingebung erwartete. »Mir gefällt Science Fiction einfach. Außerdem geht es da nicht um UFOs; bei diesem hier jedenfalls nicht. Wahrscheinlich würde ich nichts über UFOs lesen.«
    »Oh.« Er betrachtete das Buch. (Sein greller, unpassender Umschlag war mir peinlich, und ich steckte es weg.) »Sind Sie Student?«
    »Ja. Das heißt, nein, ich war. Ich habe mein Examen gemacht.«
    »Aha. Sie haben sich mit Wissenschaft beschäftigt?«
    »Englisch.«
    »Ach so. Aber Sie mögen Wissenschaft?«
    Ich bin sicher, daß er es so ausgedrückt hat. Ich habe am nächsten Tag viel davon notiert und ein paar Monate später ein Gedicht darüber geschrieben – es heißt ›Jack‹. Ich bin sicher, wenn ich meine Notizen dabei hätte, würden sie bestätigen, daß er es so ausgedrückt hat. »Sie mögen Wissenschaft?«
    Wir kamen also auf ein Thema, über das er immer schon mal hatte sprechen wollen.
    Er – ja, sein Name war Jack – konnte nicht verstehen, wieso Leute glaubten, feststellen zu können, daß irgend etwas soundsoviel Millionen Jahre alt war. Wie konnte irgend jemand sagen, was wann und wo geschehen war? Er war Christ, und die Bibel erschien ihm viel einleuchtender.
    Weißt du, was es für ein Gefühl ist, wenn einem das Herz in die Hose rutscht? Wir waren erst seit zwei Stunden unterwegs, kaum an Northampton vorbei, und ich steckte in der Falle – vermutlich für den Rest der Reise, dem Akzent des Typen nach zu urteilen – eines verknöcherten alten Kauzes, der glaubte, das Universum wäre etwa gegen 17 Uhr des Jahres 4004 v. Chr. geschaffen worden. Verfluchter Mist!
    Da ich jung und dumm war, versuchte ich wirklich, eine Erklärung zu liefern (ich sah mir manchmal die Sendung ›Horizonte‹ an; hin und wieder bekam ich irgendwoher eine Ausgabe des New Scientist).
    Laß das Gedicht die Fortführung der Geschichte übernehmen (aus dem Gedächtnis niedergeschrieben, lege also bitte keinen allzu strengen Maßstab an):
     
Und, ach Gott, lieber Leser, was konnte ich tun? –
Oh, ich bewegte den Lahmen, Halbherzigen zu einem Versuch;
Ich sagte ihm, alles sei verbunden, dieselben Gesetze
Der Physik, Chemie, Mathematik, aufgrund derer er hier saß,
In diesem Bus, mit diesem Motor, auf dieser Straße,
Bestimmten in allen Zeiten die Dinge, wie sie waren.
Carbon 14 erwähnte ich, seinen langsamen, sicheren Verfall,
Selbst magnetische Linien, in den Felsen erstarrt
Durch die Hitze der Urzeit-Feuer;
Die Kette der Fossilien, wandernde Kontinente,
Erosion, Kontinuität und Veränderung…
Doch von der ersten müde Silbe an, sogar schon vorher,
Wußte ich, daß es sinnlos war.
Und irgendwo hinter
Diesem Geschwafel des ›gut informierten Laien‹
Lauschte etwas, das eher das wirkliche Ich war,
Und betrachtete die Brille des alten Mannes.
Sie war alt, eine dicke Fassung in Dunkelbraun,
Die Gläser ebenfalls dick, mit einer dicken Dreckschicht.
Schuppen, Flocken abgestorbener Haut, Haare,
Verklebt durch Fett und getrockneten Schweiß,
Trübten die Sicht, die die Kratzer nicht trübten.
Selbst wenn die einstige Verschreibung der Stärke nicht
Längst durch sein sterbendes Sehvermögen überholt wäre,
Würde das Geschmier, der persönliche, unpersönliche Dreck
Die dicken Linsen ihres Nutzens berauben.
Doch würden sie für eine Überprüfung abgenommen,
Wie könnten diese triefenden Augen ohne Hilfe
Die Verschlimmerung ihrer Unfähigkeit erkennen?
     
    (Es war die Zeit, in der ich mich nur sehr sparsam des Reims bediente, wie irgendeines anderen poetischen Effektes. Es ging mir um mehr, eher um das Herausarbeiten des Gesichtspunktes des ›Sehens‹ und ›vernebelten Denkens‹ und so weiter, doch wir wollen schnell fortfahren.)
     
Er nahm nichts davon an.
Ich redete mir die Kehle wund.
Wir kamen zu den Borders, und bald stieg er aus,
Abgeholt von seiner Schwester,
In einer häßlichen kleinen regengetränkten Stadt.
     
    Okay? – Also Schnitt:
     
    Letzte Woche. Ich war mit dem harten Kern

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