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Ein Geschenk der Kultur

Ein Geschenk der Kultur

Titel: Ein Geschenk der Kultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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der Creative Writing Group in einem Intercity 125 unterwegs nach London zu einer Lesung der ICA (Kathy Acker, Martin Millar etc.). Ich saß Mo gegenüber – er ist ein gutaussehenden Inder mit einem Schnauzbart, ein sehr kluger Kopf; er hatte uns gewählt anstatt Oxbridge; Gott mag wissen warum – und kippte den Inhalt einer Mikroflasche Magenbitter in einen Plastikbecher und holte das Buch hervor, das ich lesen wollte, und Mo… straffte sich, um es schlicht auszudrücken. Ich halte nicht allzuviel von Körpersprache; mir entgeht etliches, das weiß ich (siehst du – ich höre auf das, was du sagst), aber es war, als ob Mo plötzlich zur Eisstatue erstarrt wäre, und die Wellen der Feindseligkeit schwappten über den Tisch zu mir herüber. Die anderen merkten es ebenfalls und verstummten.
    Ich hatte nämlich Die Satanischen Verse von Salman Rushdie aus meinem Tagesgepäck genommen, verstehst du? Und Mo saß da, als ob er erwartete, daß das Buch in meinen Händen anfangen würde zu blubbern und zu zucken und in Flammen aufzugehen.
    Nun, ich weiß nicht, wieviel du von dem ganzen Theater gehört hast, das um das Buch gemacht wird – die Angelegenheit hat bis jetzt noch keine Schlagzeilen auf den Titelseiten gemacht, und mit etwas Glück wird es dazu auch in Zukunft nicht kommen – doch seit seiner Veröffentlichung haben etliche Moslems gefordert, daß es verboten oder eingestampft werden soll oder was auch immer, denn es enthält – so behaupten sie – einiges sozusagen halb-blasphemisches Material bezüglich des Koran. Ich hatte über dieses allgemeine Gebiet der schriftstellerischen Freiheit und der religiösen Zensur in einigen Vorlesungen gesprochen, ohne den Roman bisher gelesen zu haben, und ich wäre nie auf den Gedanken gekommen, daß jemand wie Mo – der in keiner dieser Vorlesungen gewesen war – auf der Seite der Bösen stehen könnte.
    »Mo, stimmt was nicht?«
    »Das ist kein gutes Buch, Mr. Munro«, sagte er und sah dabei das Buch an und nicht mich. »Es ist schlecht, blasphemisch.« (Verlegenes Schweigen bei den anderen.)
    »Hör zu, Mo, ich werde das Buch weglegen, wenn es dich beleidigt«, sagte ich zu ihm (und tat, was ich sagte). »Aber ich glaube, wir müssen darüber sprechen. Nun gut, ich selbst habe das Buch bisher noch nicht gelesen, aber ich habe neulich mit Dr. Metcalf darüber gesprochen, und der sagte, daß er es gelesen habe und daß die Passagen, gegen die manche Leute so heftige Einwände erheben, höchstens ein paar Seiten umfassen, und daß er nicht verstünde, warum deshalb so ein Aufhebens gemacht wird. Ich meine, es ist ein Roman, Mo. Es ist kein… religiöses Traktat; es will als fiktiv verstanden wissen.«
    »Darum geht es nicht, Mr. Munro«, entgegnete Mo. Er starrte meinen kleinen roten Rucksack an, als ob er eine Atombombe enthielte. »Rushdie hat alle Moslems beleidigt. Er hat jedem einzelnen von uns ins Gesicht gespuckt. Es ist genauso, als ob er alle unsere Mütter als Huren bezeichnet hätte.«
    »Mo!« sagte ich und konnte ein Grinsen nicht verbergen, während ich den Rucksack auf dem Boden absetzte. »Es ist nur eine Erzählung.«
    »Die Form ist nicht wichtig. Es ist ein Werk, in dem Allah beleidigt wird«, entgegnete Mo. »Sie können das nicht verstehen, Mr. Munro. Für Sie ist nichts in gleichem Maße heilig.«
    »Ach nein? Wie ist es mit dem Recht auf Redefreiheit?«
    »Aber als die Nationale Front sich der Studentenvereinigung für ihre Zwecke bedienen wollte, waren Sie mit uns bei der Demonstration dagegen, oder nicht? Was ist also mir deren Recht auf Redefreiheit?« konterte er.
    »Sie wollen es allen anderen verwehren; komm jetzt, Mo! Ihnen wird nicht das Recht auf Redefreiheit genommen, man schützt vielmehr die Rechte und Freiheiten jener Leute, die von denen schikaniert würden, sobald ihnen etwas Macht gewährt würde.«
    »Aber unmittelbar wirkt sich das doch so aus, daß man denen das Recht verweigert, ihren Standpunkt öffentlich darzustellen, oder etwa nicht?«
    »Auf die gleiche Weise, wie man jemandem das Recht verwehrt, einem anderen Menschen die Pistole an die Schläfe zu setzen und abzudrücken. Ja«, erwiderte ich.
    »Es ist also klar, daß Ihr Glaube an die Freiheit allgemein eine spezielle Freiheit zunichte machen kann; solche Freiheiten sind nichts Absolutes. Ihnen ist nichts heilig, Mr. Munro. Sie stützen ihren Glauben auf die Produkte menschlichen Denkens, deshalb kann es auch gar nicht anders sein. Vielleicht glauben sie an

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