Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Geschenk der Kultur

Ein Geschenk der Kultur

Titel: Ein Geschenk der Kultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
Vom Netzwerk:
Feldes, das das Schiff unter dem gekräuselten blauen Meer absteckte.

 
6: Unerwünschtes Fremdwesen
     
     
    6.1: Später wirst du mir dankbar sein
     
    Dezember. Wir näherten uns dem Ende des Unternehmens, beseitigten die letzten Unklarheiten. Auf dem Schiff herrschte eine Atmosphäre der Erschöpfung. Die Leute waren stiller geworden. Ich glaube nicht, daß es einfach nur Müdigkeit war. Ich meine, es war eher so etwas wie die Auswirkung einer erkannten Objektivität, einer inneren Distanz; wir waren schon lange genug hier, um die anfängliche Erregung überwunden zu haben, die Flitterwochen mit dem Neuartigen und Entzückenden waren vorüber. Wir betrachteten die Erde allmählich als Ganzes, nicht mehr nur als Auftrag, der erledigt werden mußte, als Spielplatz, den es zu erforschen galt, und unter diesem Gesichtspunkt wurde sie einerseits weniger unmittelbar und andererseits eindrucksvoller; ein Teil der Literatur, etwas, das durch Fakten und Querverweise belegt war, aber nicht mehr uns gehörte; ein Tropfen Wissen, der bereits vom anschwellenden Erfahrungsozean der Kultur geschluckt worden war.
    Selbst Li war leiser geworden. Er veranstaltete seine Wahl, aber nur wenige Leute hatten die Nerven dafür, ihre Stimme abzugeben, und es geschah auch nur, um ihm einen Gefallen zu tun. Enttäuscht erklärte sich Li zum Captain des Schiffs im Exil (nein, ich habe das auch nie begriffen), und beließ es dabei. Er fing an, Wetten über Pferderennen, sportliche Wettkämpfe und Fußballspiele gegen das Schiff abzuschließen. Das Schiff hatte offenbar dabei etwas manipuliert, denn es schuldete Li schließlich eine lächerliche Summe. Li bestand darauf, daß es ihn bezahlte, also bescherte ihm das Schiff einen makellosen faustgroßen Diamanten. Er sei sein, erklärte ihm das Schiff. Ein Geschenk; er durfte es besitzen. (Danach verlor Li jedoch das Interesse daran und ließ den Stein mit Vorliebe an allgemein zugänglichen Stellen liegen; ich stieß mir zweimal die Zehen daran. Schließlich veranlaßte er das Schiff, den Stein unterwegs beim Verlassen des Systems im Orbit des Neptuns zurückzulassen; ein Scherz.)
    Ich verbrachte viel Zeit auf dem Schiff damit, Tschardasch-Musik zu hören, allerdings vor allem, um mich zu beruhigen.
    Ich bekam eine Bildungsreise gewährt, wie fast alle anderen auf dem Schiff, und verbrachte einen Tag oder so an all den Orten, die ich besuchen wollte; ich sah den Sonnenaufgang vom Gipfel des Khufu und den Sonnenuntergang von Ayers Rock. Ich beobachtete in Ngorongoro ein Rudel Löwen beim Faulenzen und Spielen und das Kalben des Ross-Eisberges; ich sah Kondore in den Anden, Moschusochsen in der Tundra, Polarbären auf dem Arktischen Eis und Jaguare, die durch den Dschungel schlichen. Ich fuhr Schlittschuh auf dem Baikal-See, tauchte über dem Großen Barriereriff, spazierte an der Chinesischen Mauer entlang, ruderte über den Dal- und den Titicaca-See, erstieg den Mount Fuji, ritt auf einem Maultier in den Grand Canyon, schwamm mit den Walen vor Niederkalifornien und mietete eine Gondel für eine Venedig-Rundfahrt, durch den kalten Winternebel, unter einem Himmel, der auf mich alt und müde und ausgelaugt wirkte.
    Ich weiß, daß einige Leute die Ruinen von Angkor besuchten, mit einer Sicherheitsgarantie des Schiffes in Form seiner Drohnen und Dolchgeschosse versehen… Das war jedoch nichts für mich. Genausowenig brachte ich es über mich, Potala zu besuchen, so gern ich es gewollt hätte.
    Uns stehen einige Monate Erholungsurlaub auf einer Orbitalsiedlung im Trohoase-Sternhaufen zu; das ist das übliche nach einem Intensivaufenthalt an einem Ort wie die Erde. Sicher, ich hatte für die nächste Zeit keine Lust zu weiteren Erkundungen; ich war völlig ausgepumpt; jede Nacht schlief ich fünf oder sechs Stunden lang und träumte heftig, als ob der Druck der künstlich verdichteten Informationen, die ich als Unterweisung mit auf den Weg bekommen hatte – vermischt mit all meinen persönlichen Erlebnissen – zuviel für meinen armen Kopf gewesen wäre und er ein Leck bekommen hätte, als ich nicht auf der Hut war.
    Ich hatte vor dem Schiff klein beigegeben. Die Erde sollte ein Kontrollierter Planet werden; ich hatte versagt. Selbst ein zurückhaltendes Lauern, das Warten bis Hermageddon, wurde verworfen. Ich diskutierte mit dem Schiff darüber in einer Mannschaftsversammlung, erreichte jedoch nicht einmal ein Mitspracherecht für die Menschen. Die Willkür stimmte sich mit der Schlecht Fürs

Weitere Kostenlose Bücher