Ein Geschenk von Tiffany
betreiben? Und was war dieses Ladurée? Wieso sollte sie da »gewohnheitsmäßig« hingehen? War das so was wie das Hamam? Ein Wink mit dem Zaunpfahl?
Kopfschüttelnd faltete sie die Liste zusammen und tat sie zurück in den Umschlag zu den Samenkörnern. Dann rollte sie ihn auf, sodass er flach auf dem Grund ihrer Tasche lag. Sie hatte jetzt keine Zeit, Henrys rätselhafte Botschaften zu entschlüsseln, sie musste raus in die Stadt. Diese Party würde sich schließlich nicht selbst organisieren.
»Ich kann nicht fassen, dass du das mit ihr gemacht hast!«, schimpfte Kelly.
»Mir blieb ja nichts anderes übrig!«, schimpfte Anouk zurück. »Ihre Haare waren schon ganz splissig! Die wären in ein paar Wochen sowieso abgebrochen. Man kann seine Haare nicht so exzessiv färben und erwarten …«
»Ich hab ein wenig Unterstützung von dir erwartet. Ich hab sie schließlich wieder auf die Beine gebracht. Glaubst du, das war leicht? Du warst ja nicht da, als sie sich jeden Abend die Augen ausgeheult hat. Und sich zwei Monate lang jeden Abend betrunken …«
Cassie sah auf. Das hatte sie aber etwas anders in Erinnerung. Hatte Kelly sie nicht jeden Abend trotz ihrer Proteste rausgeschleift und ihr widerliche rosa Cocktails eingeflößt, bis sie nicht mehr wusste, ob sie Elton John oder Cassie Fraser war?
»Na, so gut geht’s ihr noch nicht. Sie trauert immer noch Luke nach und sieht total unglücklich aus, wenn sie glaubt, ich bekomm’s nicht mit.« Sie schaute Cassie an. »Stimmt doch.«
»Ich hab wenigstens eine verbesserte Version von ihr selber aus ihr gemacht. Du dagegen einen Anouk-Klon.«
»Und was soll daran so schlimm sein?«
»Hört sofort damit auf, alle beide!«, schimpfte Cassie. Sie stand auf und fing an, erregt auf und ab zu gehen, in der Hand ein großes Glas Burgunder.
»Ich seh dich nicht, wenn du da hingehst«, brummelte Kelly.
»Umso besser! Vielleicht hört ihr dann ja auf, euch anzuschreien«, entgegnete Cassie streng.
Kelly und Anouk starrten sie an. Sie seufzte müde – und nicht nur, weil sie heute an die zehn Meilen gelaufen war, auf der Suche nach dem richtigen Veranstaltungsort für die große Dior-Party. Erstaunlich, wie wenig sich seit ihrer Schulzeit geändert hatte: Da lag ein Ozean zwischen den beiden, aber sie schafften es immer noch, sich in die Haare zu kriegen. Sie waren sich einfach zu ähnlich, das war das Problem.
»Kelly«, sagte Cassie beschwichtigend, »Anouk hat doch nicht versucht, alles rückgängig zu machen, was du für mich getan hast.«
»Ach nein? Sie hat total von vorne angefangen. Hat einen ganz anderen Menschen aus dir gemacht.«
»Aber ich hab ihr verschiedene Möglichkeiten zur Auswahl gelassen«, warf Anouk zu ihrer Verteidigung ein, »hier ist es nun mal anders.«
»Wie, anders?«
Eine Pause. »Feiner.«
»Feiner! Was soll das denn heißen?« Kelly keuchte dramatisch auf. »Willst du damit sagen, dass meine Auffassung von modisch ordinär ist? Dass die New Yorker Frauen ordinär sind?«
»Das reicht!«, brüllte Cassie, und diesmal stellte sie sich zwischen die beiden, sodass sie nur sie sehen konnten und nicht mehr einander. »Kelly – was Anouk getan hat, ist keine Ablehnung deines Geschmacks. Ich mag meine Haare so, wie sie jetzt sind, aber wer weiß schon, ob ich sie auch so behalten werde? Wir probieren alles Mögliche aus, das ist doch der Sinn dieses Jahres, oder? Und ich ziehe immer noch meine schwarzen Lieblingsjeans von Bebe an, und nichts kann mich von meiner Maddy-Foxton-Tasche trennen – nicht mal Dior. Die haben mir nämlich eine Dior-Tasche angeboten. Außerdem – sag ich’s wirklich? –, außerdem fange ich allmählich an, meine Joggingrunden im Park zu vermissen. Zumindest ein bisschen.«
Sie beugte sich näher zum Bildschirm. »Du fehlst mir, Kell. Ich war so gern in New York! New York hat mich wieder zum Leben erweckt, mit seiner Energie, mit seinem Ehrgeiz – seiner Das-kann-ich-Einstellung. Ich meine, schau mich doch an: Ich arbeite bei Dior, dem Zentrum des Fashion-Universums! Das hätte ich doch vorher nicht gekonnt, frisch aus dem Hochmoor?«
Kelly stieß ein kurzes, versöhntes Lachen aus. »Ja, du bist weit gekommen, Babe«, sagte sie gedehnt.
»Und das hab ich dir zu verdanken«, antwortete Cassie. Sie wandte sich um und zog Anouk, die auf der Sofalehne saß, an sich. »Euch allen hab ich das zu verdanken. Ohne euch wäre ich am Ende. Ihr zeigt mir all die neuen Möglichkeiten und, ja, unterschiedliche
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