Ein Geschenk von Tiffany
hingen wie Korallenketten von Dachfirsten, gegrillte Hühnchen warteten in militärisch präziser Reihe unter Warmhaltehauben auf Kundschaft; uralter, schimmeliger Käse wurde, in Wachspapier gewickelt, mit Schnur zugebunden, wie kleine Geschenke angeboten; in großen Körben hockten grimmige schwarze Langusten, deren gefährliche Scheren mit Klebeband umwickelt waren; in langen Schalen leuchteten gelbe Zucchiniblüten wie Narzissensträuße, Berge von Roma-Tomaten, milchig glänzende Schalotten …
Sie blieb an einem Stand stehen, auf dem auf vier Tischen große Schüsseln voller Oliven aller Art angeboten wurden. Cassie versuchte die Sorten zu zählen, gab aber bald auf. Es waren mindestens dreißig, wenn nicht vierzig: schwarze, grüne, gefüllte, entsteinte. Dahinter stand ein untersetzter Mann mit einem teigigen Gesicht und funkelnden schwarzen Knopfaugen. Er unterhielt sich auf Italienisch mit einem jungen Burschen, der neben ihm stand.
Als der Mann bemerkte, dass sie Interesse bekundete, breitete er freundlich die Arme aus und sagte: »Oui, madame?«
»Ich hab mich gerade gefragt, womit die wohl gefüllt sind«, entgegnete Cassie und deutete auf eine Schale in der mittleren Reihe.
»Das sind Toskana-Oliven – gefüllt mit sonnengetrockneten Tomaten, Rosmarin und Knoblauch«, antwortete er und legte Daumen und Zeigefinger zusammen, um ihr zu demonstrieren, wie gut sie waren.
»Ach ja?« Cassie legte hungrig die Hand auf ihren Bauch. Nach dem Aufwachen hatte sie nur einen Kaffee heruntergebracht, doch nun spürte sie, wie sie allmählich Hunger bekam. Sie holte ihren Geldbeutel raus. »Ich hätte gerne fünfzig Gramm.«
Der Mann löffelte die Menge in eine transparente Plastikschale und drückte einen Deckel drauf. Sie reichte ihm das Geld. »Sie sind Italiener?«, erkundigte sie sich, während sie auf ihr Wechselgeld wartete.
» Sì . Wir kommen aus einem kleinen Dorf – Diano d’Alba, in der Nähe von Turin. Zweimal pro Woche.«
»Sie kommen extra von dort hierher?«, fragte Cassie erstaunt.
»Für diesen Markt, ja. Der beste in ganz Paris. Und wir sind nicht die Einzigen. Viele kommen aus weiter Entfernung, um hier zu kaufen oder zu verkaufen. Mein Vater ist vor mir gekommen, und jetzt kommt mein Sohn.« Er schlug seinem Sohn kräftig auf die Schulter. Der nickte höflich. Die beiden mussten noch vor dem Morgengrauen aufgebrochen sein.
Cassie nahm ihr Wechselgeld und verabschiedete sich lächelnd. Zum ersten Mal schaute sie sich ihre Liste richtig an. Zuerst brauchte sie Äpfel. Etwa hundert Meter weiter war ein Stand mit einem Riesenangebot an Äpfeln, genauso viele Sorten wie beim Olivenmann. Große, unförmige, knorrige neben kleinen, saftigen roten, die in der Sonne funkelten; wieder andere waren matt und scheckig.
»Was suchen Sie denn?«, fragte die Alte hinter dem Stand. Sie hatte ein Kopftuch auf. Ächzend ließ sie sich auf einem Stuhl nieder.
Cassie zuckte die Achseln. »Weiß ich selbst nicht so genau«, gestand sie lächelnd.
Die Frau erhob sich und nahm ihr die laminierte grüne Karte aus der Hand. Sie las und nickte. Dann drehte sie sich um und riss eine braune Papiertüte von einem Packen an einer Schnur.
»Sie sind bei Claude Bouchard«, sagte sie, ging ans andere Ende der Auslage und begann die Tüte mit einer dunkelroten, fast lila Sorte zu füllen.
Cassie schaute zu. »Ja … woher wissen Sie das?«
Sie wies mit einem Blick auf die laminierte Karte. »Er fängt immer mit der Tarte Tatin an. Classique et délicieux . Dafür brauchen Sie die reine des reinettes .« Sie warf Cassie einen Apfel zu. »Da, probieren Sie mal.«
Cassie zögerte, doch die Frau beobachtete sie erwartungsvoll. Sie nahm einen kleinen Biss.
»Knackig, ein wenig Fruchtsäure, aber hoher Zuckergehalt«, dozierte die Alte. »Dann zerfallen sie beim Backen nicht.« Sie zwinkerte Cassie zu. »Das wird er Sie fragen, also merken Sie sich’s.« Sie tippte an ihre Schläfe. »Dann werden Sie seine Lieblingsschülerin, und was Besseres gibt’s nicht. Macht sechs Euro dreißig.«
Cassie fischte das Geld aus ihrem Geldbeutel. »Hm, weiß nicht, ob das so toll ist.«
Die Alte runzelte die Stirn. »Claude Bouchard ist ein Sternekoch!«, sagte sie vorwurfsvoll. Sie steckte das Geld ein, ohne es anzuschauen. Stolz tätschelte sie ihren Bauch, als sei Claude ihr eigener Sohn. »Oder er war’s zumindest. Er hat aufgehört.« Sie schüttelte den Kopf und schürzte missbilligend die alten Lippen.
»Er hat
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