Ein Geschenk von Tiffany
höchste Kunst von allen. Die sinnlichste von allen. Einige von euch werden gehört haben …«
Ein kurzes, lautes Aufheulen durchbrach die Stille, begleitet von sich drehenden Blaulichtern. Der Mann zuckte nachlässig mit den Schultern und winkte ab.
»Bloß die alljährliche Polizeipatrouille, um uns wissen zu lassen, dass sie noch da sind.« Er prostete den Gesetzeshütern mit seinem Glas zu. Gelächter durchlief die Menge. Der Streifenwagen fuhr langsam vorbei. Alle hoben die Gläser und prosteten den Polizisten zu.
»Äh, wo war ich? Ach ja … nun, einige von euch werden gehört haben, dass Claude kurz vor seinem Tod noch plante, ein neues Restaurant zu eröffnen. Tatsächlich ist sein Geschäftspartner heute unter uns …« Ein Murmeln ging durch die Menge, und alle sahen sich nach diesem mysteriösen Geschäftspartner um. »… und ich habe die Zusage, dass das C. et C., das neue Restaurant, wie geplant im nächsten Monat im Quartier Latin eröffnen wird. Claude hatte bereits die Menüs ausgearbeitet, das Personal angeheuert und jedes gestalterische Detail mit den Architekten durchgesprochen, sodass das C. et C. – auch wenn es posthum eröffnet wird – im wahrsten Sinne des Wortes sein Flaggschiff sein wird, seine Vision. Und sein Vermächtnis an uns. Er wird nicht vergessen.«
Jubel brandete auf. Der Sprecher nahm einen Schluck aus seinem Glas. Cassie saß stocksteif da. War sie deshalb hier?
»Ich habe keinen Zweifel, dass das C. et C. Jungköche aus aller Welt anziehen und viele Preise gewinnen wird, wie alles, das Claude anpackte. Aber Claude selbst lag nie viel an Michelin-Sternen. Er wollte einfach nur großartig kochen, er wollte aufregende neue Geschmacksrichtungen erkunden und der breiten Öffentlichkeit zugänglich machen. In den letzten Jahren hatte er sich aus der professionellen Küche zurückgezogen und seine Kunst nur noch an einige wenige willige Studenten weitergegeben. Deshalb hat er auch vor Jahren diese geheime Picknickgesellschaft gegründet, damit Menschen aus allen Schichten und Lebensbereichen zusammenkommen können, um gutes Essen, gute Gesellschaft und guten Wein zu genießen!«
Applaus und Jubel.
»Jene, die ihn in den letzten Jahren kannten, wussten, wie schlecht es ihm ging. Er war eine gequälte Seele. Doch wir wollen uns an die Freude und an die Leidenschaft erinnern, mit der er seine Kunst ausübte – denn er hat immer daran geglaubt – selbst in seinen dunkelsten Zeiten –, dass die Liebe zum Kochen eine Liebe fürs Leben ist. Ich möchte euch also nun um einen Moment des Schweigens und stillen Gedenkens bitten, bevor wir weiterfeiern. Wir wollen unseres Freundes Claude Bouchard gedenken.«
Der Mann senkte den Kopf, und die Menge verstummte. Selbst die Autos hörten auf zu hupen, wenn sie vorbeifuhren, weil sie sahen, dass die Gäste nun stumm wie Statuen dasaßen. Cassie sah sich ehrfürchtig um. Sie hatte gedacht, dass sie heute Abend allein wäre, dass sie die Einzige war, die um einen lieben Freund trauerte. Was für ein Irrtum! Zwischen all diesen Fremden waren Leute, die Claude länger und besser gekannt hatten als sie, ihn mehr geliebt hatten als sie. Menschen, die ihn nicht im Stich gelassen hatten, so wie sie.
Das war keine Party. Es war eine Gedenkfeier. Dankbar huschte ihr Blick über die ehrfürchtige Menge. Sie fragte sich, wer davon ihn wohl gekannt hatte. Sie schaute Katrina an. Und erschrak. Katrina stand der Schweiß in dicken Tropfen auf der Stirn.
Sie beugte sich vor und fragte leise: »Katrina, was ist? Geht es Ihnen nicht gut? Sie sind ja weiß wie eine Wand.«
»Ich … ich … fühle mich nicht so bes…« Sie schlug die Hand vor den Mund, die Augen weit aufgerissen, und begann zu würgen. Cassie sah sich entsetzt um. Mein Gott! Wo war der Butler? Auch von der Limousine war keine Spur zu sehen. Der Streifenwagen von vorhin musste sie offenbar von ihrem illegalen Parkplatz am Bordstein vertrieben haben.
Sie schaute zurück zu Katrina, die jetzt beide Hände vor den Mund geschlagen hatte. Es war klar, dass sie sich jeden Moment übergeben würde, gleich hier, vor allen Leuten. Ohne zu überlegen, nahm Cassie ihre Tasche – ihre wunderschöne, heißgeliebte grüne Maddy-Foxton-Tasche, die Kelly ihr an ihrem ersten Tag in New York geschenkt hatte – und riss sie auf. Sie reichte sie über den Tisch zu Katrina, und diese erbrach sich – so diskret sie konnte – in die weiträumigen Öffnungen.
Keiner bemerkte etwas, denn das
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