Ein Geschenk von Tiffany
die Küche kam. Nachdem sie drei Tage lang in denselben Klamotten durch Großbritannien gegondelt war, hatte sie sich endlich geduscht und trug nun weiße Shorts und eine Khakiweste ohne BH.
»Hallo, Schlafmütze! Ich sollte diejenige mit dem Jetlag und der verkorksten inneren Uhr sein«, witzelte Kelly und zwinkerte Cassie zu. Ihre Augen leuchteten wie blank geputzte Knöpfe. »Ready to Rock ’n’ Roll?«
Cassie warf einen Blick auf Henry, der immer noch seinen Rücken als Schutzwall benutzte, und brachte ein sarkastisches Hochziehen der Augenbrauen zustande, bevor sie sich auf einen Küchenstuhl plumpsen ließ und nach der Teekanne griff wie nach einer Rettungsleine. Mit einer vagen Bewegung bot sie auch Kelly an, ihre Tasse nachzufüllen.
»Immer noch Probleme mit dem morgendlichen Aufstehen, was?« Kelly musterte sie von oben bis unten. Sie beugte sich vor und flüsterte: »Was ist denn los? Du siehst schrecklich aus. So kannst du nicht hinter mir her durch den Mittelgang schreiten, ich müsste mich ja schämen.« Sie wackelte ein wenig mit dem Kopf, als würde sie bloß einen Witz machen, aber Cassie wusste, dass sie es im Grunde ernst meinte.
»Ich hab nicht gut geschlafen. All die Aufregung letzte Nacht …«, murmelte Cassie mit gesenktem Blick. »Keine Sorge, ich werde schon wieder, sobald ich das hier intus habe.« Sie hob ihre Tasse an ihre Lippen. Henry suchte laut klappernd in einem Geschirrschrank nach einem sauberen Teller.
»Na, hoffentlich«, murmelte Kelly und musterte Cassie über den Rand ihrer Teetasse. »Du hättest mal besser auch ins Pub kommen und einen Nachttrunk zu dir nehmen sollen, so wie wir.«
Cassie schüttelte den Kopf. »Ein in Chloroform getränktes Kissen wäre besser gewesen.«
»So schlimm?«
»Mmm.«
»Dann leg dich noch mal ein Stündchen hin. Es ist noch Zeit.«
»Kann nicht. Bin zu nervös.« Cassie sah überhaupt nicht so aus. Henry knallte seinen Frühstücksteller auf den Tisch und hockte sich trotzig dazu. Nachdem er sein Essen in HP-Sauce ertränkt hatte, langte er zu, geräuschvoll kauend wie ein Rind.
Cassie warf ihm einen gereizten Blick zu. Hatte er sich noch immer nicht beruhigt? Was war bloß los mit ihrem fröhlichen, abenteuerlustigen, welterfahrenen Freund? Der, der mit seinen wundervollen Listen dafür gesorgt hatte, dass sie wieder Freude am Leben fand. Der sie sozusagen bei der Hand genommen und ihr gezeigt hatte, wie man auf eigene Faust die große Welt erkundet? Ein kleiner Ausrutscher, und es war aus mit ihm? Das konnte doch nicht sein.
Sie beobachtete wie er, den Blick stur auf den Teller gerichtet, mit vollen Backen vor sich hin kaute. Sie musste unbedingt versuchen, ihn allein zu erwischen, bevor die Hochzeit anfing. Sonst fiel den Leuten noch was auf.
Sie schaute wieder Kelly an. »Wo sind denn alle? Es ist verdächtig ruhig hier.«
»Hattie und Archie sind in die Klinik gefahren, um Cupcake zu besuchen und zu sehen, ob Suzy schon entlassen werden kann«, antwortete Kelly und zog einen weißen Handschuh ab. Bewundernd strich sie über ihren nun samtweich gecremten Handrücken. »Sie werden in einer Stunde wieder da sein. Die Caterer kommen um elf, und Bas ist schon oben und richtet alles her. Er kann’s kaum abwarten, dich zu sehen. Ich konnte ihn gerade noch davon abhalten, dir heute früh die Tür einzurennen. Ich hab gesagt, du brauchst deinen Schönheitsschlaf. Und Gott sei Dank hab ich das gesagt«, fügte sie mit einem kritischen Blick auf Cassie hinzu.
Cassie lächelte nachsichtig. Ach, ja, Bas. Sie freute sich auch schon riesig auf ihn. Es gab so viel zu reden. »Und du? Warum bist du so ruhig? Solltest du nicht rumschwirren wie eine aufgeregte Hummel? Suzy hat mir extra ein paar Betablocker für dich mitgegeben.«
Kelly rollte ihre Schultern, machte die Augen zu, reckte den Hals und legte ihre Fingerspitzen zu einem yogischen »Om« zusammen. »Worüber soll ich mich aufregen? Brett wartet im Dorf auf mich, die Sonne scheint, Cupcake ist auf die Welt gekommen, Anouk ist verziehen, du bist auch von deinem Walkabout zurückgekehrt …« Sie machte die Augen auf und schaute Cassie an. »Darüber müssen wir übrigens noch reden.«
Henrys Gabel stockte auf halbem Weg zum Mund. Dann aß er rüde schmatzend weiter.
»Später«, brummelte Cassie und legte ihre Hand auf Kellys. »Heute geht’s nur um dich.«
»O ja!«, strahlte Kelly. Sie zeigte Cassie, dass sie ihren Verlobungsring bereits auf den Ringfinger der anderen Hand
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