Ein Geschenk von Tiffany
Schottenkaro– asymmetrisch und kunstvoll zerlumpt – mit schwarzer »Tattoo«-Stickerei und großzügig mit Ziermünzen verziert. »Ich meine, das soll eine traditionelle orthodoxe Hochzeit sein. Sie sollte aussehen wie das Sterntalermädchen, mit Münzen überschüttet und der ganze Kram. Stattdessen – schauen Sie sie an! Sie sieht aus wie der illegitime Bastard von Aladdin Sane und Bonnie Prince Charlie.«
Cassie tat der Kopf weh, als sie diese nebulöse Metapher hörte. Das war heute einfach eine Reise zu viel für sie. Sie wünschte, sie wäre liegen geblieben – voll angezogen auf dem Sofa – und hätte nicht versucht, die Tapfere zu spielen. Aber sie hatte Kelly einfach nicht im Stich lassen wollen. Und das schon am zweiten Arbeitstag.
Kellys Handy klingelte. Sie hielt einen Finger hoch. »Da muss ich rangehen, Bebe. Ich erwarte einen Anruf von W. Dauert nur einen Moment.« Sie wandte sich ab.
Bebe starrte erst sie an, dann Cassie, als wäre sie nicht sicher, dass es sich hier um dieselbe Frau handelte, die ihr gestern vorgestellt worden war. »Woran arbeiten Sie?«, fragte sie mit schmalen Augen.
Cassie schaute auf ihre Hände, um zu sehen, womit sie beschäftigt waren. Es ging ihr so schlecht, dass sie nicht sicher war, ob ihr Körper überhaupt noch ihrer Kontrolle unterlag. Verwirrt sah sie wieder auf. »Ähm … arbeiten? Was meinen Sie?«
»Na, Ihr Look. Was soll das sein? Nuttige Bibliothekarin?«
Cassie riss begreifend die Augen auf. »Ähm … ähm … ich … der hat nicht wirklich einen Namen, der Look«, stammelte sie, »ich dachte einfach, dass es so … hübsch aussieht?«
Kelly hatte ihren Anruf erledigt und kam wieder zurück. Aber das Lächeln verging ihr, als sie bemerkte, dass Cassie offenbar im Fadenkreuz von Bebes Laserblick stand.
»Hübsch?«, dröhnte Bebe und schaute Kelly an, »und die lassen Sie Presseerklärungen verfassen?« Bebe riss das arme Fotomodell zu Kelly herum. Mit einer verächtlichen Kopfbewegung in Richtung Cassie sagte sie gedehnt: »Eine Olivia Palermo ist sie ja nicht gerade, was? Also, was ist Ihre Meinung zu diesem Desaster hier?«
»Cassie, da sind ein paar Unterlagen auf meinem Schreibtisch, die dringend bearbeitet werden müssen«, sagte Kelly betont frisch zu Cassie. Diese nutzte die Gelegenheit, solange Bebes Aufmerksamkeit dem zitternden Fotomodell galt, und flitzte aus der Schusslinie.
»Sie haben recht, was die Ziermünzen betrifft, Bee«, erklärte Kelly fachmännisch. »Sieht zu sehr nach Harem aus. Es ist der falsche Goldton, finden Sie nicht?«
Der falsche Goldton?, fragte sich Cassie. Gab’s so was überhaupt?
»Das ist das Problem. Zu stumpf, zu dunkel. Sie sollten heller sein, die Münzen. Ich habe da einen Kontakt in Tribeca, die schulden mir was. Ich werde mal anrufen. Ach ja, das war übrigens Harper’s Bazaar. Sie wollen den Leopard-Print …«
»Jaguar-Print«, korrigierte Bebe streng, als wäre das ein Unterschied wie zwischen Punkten und Streifen.
»Ja, stimmt, tut mir leid – also, sie wollen den Jaguar-Print für ein mögliches Cover mit Scarlett …«
6. Kapitel
Cassie nickte dem Fotomodell, das nun auf sie zuschritt, aufmunternd zu. Eine Woche war vergangen, und sie begann sich langsam einzugewöhnen. Dieses ganze Theater, man durfte es nicht persönlich nehmen. Es ging nur um die Story, um die Stimmung, um die Reise, auf die Bebe sie mithilfe ihrer Mode nahm.
Bebe beugte sich wortlos zu Cassie hin, sozusagen ein lebendes Fragezeichen.
»Tja«, sagte Cassie langsam, »ihr Haar ist toll, und ihre Schultern und Hüften sind so schmal, ich finde, sie gäbe eine gute Kindsbraut ab.«
»Hm.« Bebe musterte das Model kritisch. Die junge Frau war erstaunlich hübsch und wahrscheinlich ihr ganzes bisheriges Leben lang von vorne bis hinten verwöhnt und verhätschelt worden, der Augenstern ihrer Familie, das beliebteste Mädchen in der Schule und der fleischgewordene Traum eines jeden Mannes. Aber in diesem riesigen hallenden Studio war sie lediglich die Summe ihrer Teile und ein leichtes Opfer für eine Fashion-Veteranin wie Bebe Washington.
»Hübsch ist sie ja, aber einen Gang hat sie wie ein Kalb«, sagte Bebe hochmütig näselnd. Sie gab sich nicht die geringste Mühe, ihre Stimme zu senken. »Und schauen Sie sich ihre Fesseln an«, fuhr sie fort, während das Mädchen vor ihnen zum Stehen kam und seine Pose einnahm, das Gewicht auf das hintere Bein verlagert, die Hände in die Hüften gestemmt. »Da hat ja ein
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