Ein Geschenk von Tiffany
Fassade, dazwischen eine halb verglaste Eingangstür. Über die linke Seite des ersten Stocks zog sich eine überdachte Veranda, aber es waren die beiden bildhübschen weißen Spitzgiebelfenster – eins in der Mitte, das andere über dem rechten Hausflügel –, die Cassie am meisten verzauberten. Wie seelenvolle Augen schienen sie den Ankommenden willkommen zu heißen.
»Fantastisch«, flüsterte sie. Als hätte Martha Stewart das Haus aus einem Märchen von Andersen erschaffen.
»Anschauen ist alles, was wir uns leisten können«, seufzte Bas und tätschelte ihr Knie. Das Auto hielt an. »Dieses Baby würde uns glatte vierzehn Mille kosten. Auf diesem Markt.«
Cassie hob die Augenbrauen. Der Chauffeur hielt ihnen die Tür auf, und sie stiegen aus. Kelly kam die Treppe heruntergesprungen und begrüßte sie, Bas eine Spur wärmer, wie es Cassie vorkam, als sie selbst.
»Ihr kommt gerade rechtzeitig. Luke hat gerade nach deinen Vorstellungen für das Shooting gefragt.« Sie beugte sich zu dem schlaksigen Haarkünstler hin. »Bitte nichts zu Irrsinniges, Bas. Selena hat Haare wie ein verdammtes Kelpie, die gehorchen dir nicht so einfach.«
»Darling, auf Irrsinnig mache ich nur an Halloween«, säuselte Bas. Dann packte er erregt Cassies Arm. »He, du hast ja noch nie ein Halloween in Manhattan mitgemacht, oder?«
Cassie schüttelte den Kopf.
»Dann wirst du mein jungfräuliches Opfer sein.« Er nahm sie strahlend bei der Hand.
Gemeinsam gingen sie ins Haus. Sie betraten eine geräumige quadratische Diele, von der links und rechts Zimmer abgingen. Weiter hinten führte eine Kirschholztreppe in den ersten Stock. Zu ihrer Linken stand die Wohnzimmertür offen. Über eine Sofalehne hing ein schlankes Bein, das zu den dünnen, blechernen Rhythmen aus einem iPod wippte. Bas ging hin und zwickte die Besitzerin des Beins in die Wade.
»Bas, Baby!«, kreischte sie in einer solchen Tonhöhe, dass es eigentlich nur Hunde hätten verstehen sollen. »Ich hatte gehofft, dass du’s bist.«
Bas beugte sich vor und zog eine glutäugige Schönheit mit hüftlangem schwarzem Haar aus dem Sessel. Diese ließ sich auf der Sofalehne nieder und musterte Cassie, deren Outfit, angesichts der Tatsache, dass Kellys Fürsorglichkeit etwas nachgelassen hatte, nicht mehr die in diesen Breiten erwarteten modischen Mindestanforderungen erfüllte.
»Hi, ich bin Cassie«, sagte Cassie mit einem freundlichen Lächeln. »Du musst Selena sein. Ich hab so viel von dir gehört.« Hauptsächlich die Namen Prada, Louis Vuitton und Burberry, wo sie überall unter Vertrag stand.
»Hm. Und du musst Cassie sein.« Sie grinste gehässig. »Ich hab auch schon viel von dir gehört.«
»He, jetzt mach mir nicht meine Cassie nieder«, mischte sich Bas sofort ein. »Sonst flechte ich dir die Zöpfe so streng, dass du Schlitzaugen kriegst.« Er strich über ihr herrlich volles, glänzendes und ganz und gar nicht kelpiehaftes Haar.
Selena lächelte süß, ließ sich aber von der Sofalehne aufs Sofa zurückgleiten.
Ein toller Anfang. Da konnte sie sich ja auf was gefasst machen. Cassie warf einen nervösen Blick zu Kelly, aber diese tat, als ob sie nichts gemerkt hätte. Mit einem fest aufgeklebten Lächeln sagte sie: »Wie wär’s mit einem Glas Wein?« Sie drehte sich auf dem Absatz um und verschwand in Richtung Küche. Bas und Cassie tauschten einen kurzen Blick, bevor sie ihr folgten.
Kelly nahm eine Flasche Wein aus dem Kühlschrank.
»Wer fehlt noch?«, fragte Cassie. Nervös fingerte sie an ihrem Glas herum.
»Nur noch Molly. Luke ist schon da. Er ist draußen und erkundet die Gegend. Morgen soll’s schön werden, und er sucht einen Platz, der nicht voller gelber Blätter ist.«
»Ach, wieso das denn?«, fragte Cassie und bekam dafür von Bas einen Tritt gegen das Schienbein. »Autsch! Was denn?«
Bas verdrehte die Augen.
»Weil wir Aufnahmen für die Frühling/Sommer-Kollektion machen«, erklärte Kelly müde. »Herbstblätter in einer Märzausgabe? Das geht doch nicht.« Was sie nicht erwähnte, war, dass das geplante Shooting in Antigua abgesagt worden war, da nach der geplatzten Schau nur sechs Bestellungen eingegangen waren.
»Ach so, ja«, sagte Cassie rasch. Der herablassende, ja ungeduldige Ton ihrer Freundin schnitt ihr ins Herz. Sie hatte die Geschwindigkeit, mit der die Modewelt dahinraste, noch immer nicht so recht verinnerlicht. Stoffmessen wurden ein Jahr im Voraus abgehalten, Modenschauen ein halbes Jahr, Zeitschriften ein
Weitere Kostenlose Bücher