Ein Geschenk von Tiffany
wohl über sie gesagt hatte. Wie blöd sie war? Wie hirnrissig, mit ihren »Verwandlungsspinnereien«? »Ja, das war nett. Hab ihn ja jahrelang nicht gesehen.«
»Stimmt. Er hat gesagt, du hast ganz anders ausgesehen – ›heiß‹, so hat er sich ausgedrückt.«
»Echt?« Dabei hatte er sie derart kritisiert.
»Er hat gesagt, er hat dir was geschenkt, damit du ihn nicht vergisst.«
»Na, weniger ihn, glaub ich. Es war mehr ein ›Kopf hoch!‹-Geschenk. Er hat geschrieben … was war’s noch?« Sie ging zu der flachen braunen Schale, die auf dem Fensterbrett stand und in die sie die Samen gesät hatte. Der Haftzettel klebte daran. »Ach ja – Energie in widrigen Umständen . Mein Motto für New York.«
Suzy schnaubte durchs Telefon. »Das soll ja wohl ein Witz sein!« Die Geräusche ließen vermuten, dass sie sich einem zweiten Cupcake widmete. »Und was hat er dir nun geschenkt?«
»Ein Päckchen Samen.«
»Samen?«, kreischte Suzy. »Mein Gott, es ist echt ein Wunder, dass er überhaupt eine Freundin hat! Was willst du denn damit in Manhattan anfangen?«
»Genau das hat Kelly auch gesagt.«
»Was denn für Samen? Wahrscheinlich was aus Mums Garten.«
Cassie überlegte. Hattie Sallyford, Suzys und Henrys Mutter, war eine bekannte und berühmte Landschaftsgärtnerin gewesen. Auch heute noch öffnete sie die Gärten ihres Anwesens in Gloucestershire nach jeder Chelsea Flower Show für die Öffentlichkeit und zog Besuchermassen aus dem In- und Ausland an.
»Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube, das war so eine spontane Idee von ihm.« Sie beugte sich vor und musterte die zarten grünen Triebe, die sich aus der Erde reckten. »Und ich glaube nicht, dass es Blumensamen sind. Es sieht eher aus wie … eine Art Rasen.«
»EinRasen?«
»Ja, ich weiß. Nicht ganz so romantisch, wie es ein Mädchen gern hätte. Aber ich glaube, er denkt, dass ich Lammermuir und die Berge und Wiesen von Schottland vermisse. Mein eigenes Fleckchen Grün als Trost in der Fremde.«
»Das ist doch irgendwie süß, oder?«
»Ja, finde ich auch.«
»Manchmal überrascht er mich wirklich, mein Bruderherz. Der große Held, kriecht überall in der Weltgeschichte rum auf der Suche nach Triffids und wer weiß was noch. Und dann geht er her und macht so was.«
»Sag ihm bitte, dass die Saat aufgeht. Im Wässern bin ich übrigens gut. Ist irgendwie … Zen, weißt du.«
»Mach ich. Ach, Archie ist da. Ich mache jetzt besser Schluss. Und hör zu – ruf mich an, wenn du mich brauchst, okay? Ob Tag oder Nacht, ja? Jederzeit. Ich bin für dich da.«
»Weiß ich doch. Danke, Suzy, danke.«
»Und lass dich von dem Ganzen nicht zu sehr niederdrücken, okay? Ich meine, wie schlimm kann’s schon sein? Ist doch bloß eine Modenschau. Die kriegen sich schon wieder ein. Das tun sie immer. Nächste Woche ist wieder was anderes dran. Mach einfach nur weiter so, ich finde, du machst dich prima. Wir sind richtig stolz auf dich.«
»Tschüss, Suzy. Gib Archie und Henry einen Kuss von mir.«
»Mach ich. Tschüss!«
Suzy hängte auf, und auch Cassie setzte das Telefon auf die Station zurück. Mit einem sanften Lächeln strich sie über die feinen grünen Rasenspitzen. Ihr eigener kleiner Garten.
9. Kapitel
Cassie stand an einer Bushaltestelle an der 86sten Straße und trat nervös von einem Fuß auf den anderen. Die Schlange war bereits auf dreißig Leute angewachsen, und Bas war noch immer nicht aufgetaucht. Er hatte versprochen, pünktlich zu sein. Sie hatte den Hampton Jitney noch nie genommen, aber was sie so gehört hatte, war es vergleichbar mit dem Winterschlussverkauf bei Harrods. Sie brauchte dringend ein Paar spitze Ellbogen als Unterstützung.
Nicht, dass sie unbedingt den Bus hätte nehmen müssen. Kelly war zuvor mit Zara in einer Limousine nach Southhampton abgedüst, und natürlich hatten sie ihr angeboten, sie mitzunehmen. Aber seit dem Vogue -Debakel vor drei Wochen versuchte Cassie möglichst wenig aufzufallen. Mittlerweile hatte sich die Hälfte von Kellys Kundschaft verabschiedet, und Kelly hatte daraufhin drei Leute entlassen müssen. Dafür gaben natürlich alle ihr die Schuld und hassten sie noch mehr. Wenn sie dieser Tage einen Raum betrat, verstummten alle, man hielt sie absichtlich nicht über Meetings auf dem Laufenden, und ihre Produkte schienen mysteriöserweise aus dem Fashion-Regal zu verschwinden.
Kelly blieb nach außen hin unbekümmert und hielt weiterhin stur zu Cassie, doch wuchsen die Spannungen zwischen
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