Ein Geschenk von Tiffany
Zurückweisung hatte sie tief getroffen. Sie spürte die ersten Anzeichen von Seitenstechen, weil sie sich überanstrengt hatte. Als sie schließlich wieder beim Haus ankam, war Kelly bereits unter der Dusche und auf der Anrichte stand eine halb ausgetrunkene Tasse Espresso.
Cassie brauchte zwei Anläufe, bis sie sich für etwas einigermaßen Passendes – wie sie fand – zum Anziehen entschieden hatte. Die »Manhattan-Uniform« (all black) schien hier in den Hamptons nicht das Richtige zu sein. Am Ende entschied sie sich für ihr zweites Jogging-Outfit – dünne graue Leggins von American Apparel und ein rotes Kapuzensweatshirt in Extralarge. Kelly trug 400-Dollar-Jeans und einen karamellbraunen Kaschmir-Cardigan. »Los, gehen wir«, sagte sie.
Kelly hatte das Ganze gestern noch organisiert. Sie stellten den Wagen auf dem Parkplatz der Strandpromenade ab – um diese Jahreszeit war das kostenlos. Alle waren bereits da, auch Molly, die Visagistin, die noch in New York auf das perfekte Rouge für Selenas Millionen-Dollar-Teint gewartet hatte. Molly war klein mit ihren eins sechsundfünfzig, und ja … mollig. Mit einem Anflug von Eifersucht beobachtete Cassie, wie die beiden miteinander herumalberten. »Teebeutel!«, rief Bas entzückt, als er Cassie über die Dünen kommen sah. »Komm, ich will dich Molly vorstellen. Eine uralte Freundin.« Er zwinkerte Molly zu. Molly und Cassie tauschten einen Blick und verdrehten die Augen. Die Visagistin hatte ein offenes, rundes Gesicht, das Cassie auf Anhieb gefiel.
»Hallo«, sagte sie lächelnd.
»All right?« , antwortete Molly mit einem gar nicht schlecht nachgeahmten britischen Upper-Class-Akzent. Sie trug ihr hellbraunes Haar kurzgeschnitten, mit einem Pony, der ihr bis zur Hälfte der Stirn reichte. Sie hatte eine Jeanslatzhose an, darunter ein lila Fleece-Shirt. Selbst Cassies Blick war nun weit genug geschärft, um erkennen zu können, dass Molly keine von den Modepuppen war, die in dieser Branche überall herumliefen. Aber ihre Haut – Cassie musste sich beherrschen, um sie nicht zu sehr anzustarren –, ihre Haut war so weiß und glatt wie Porzellan.
Luke und seine Assistentin Bonnie waren unten an der Wasserkante, wo Bonnie sich für ihn hinstellte, damit er Licht und Bildkomposition auf seinem Fotoapparat einstellen konnte. Selena saß in dem Kuppelzelt, das aufgestellt worden war, damit der Wind Mollys und Bas’ Bemühungen nicht zunichtemachte, und spielte Angry Birds auf ihrem iTouch.
Kelly blies in eine Trillerpfeife – die einzige Möglichkeit, um sich über dem Geräusch von Wind und Wellen verständlich zu machen – und rief die Truppe zusammen. Luke und Bonnie drehten sich um und winkten. Dann kamen auch sie angestapft.
»Also gut«, sagte Kelly, während sich alle die Finger an Emailletassen mit heißem Kaffee wärmten. »Hier werden wir also die Aufnahmen für die Sequenz am Kaspischen Meer machen. Luke, du hast gesagt, du möchtest, dass Selena über dem Kamm der Dünen auftaucht?«
Luke nickte. »Das Wasser ist heute einfach zu grau, um Aufnahmen darin zu machen.«
»Gott sei Dank«, stieß Selena hervor und zündete sich eine Zigarette an.
»Also, Molly und Bas, wir wollen denselben Look wie auf der Schau, das Augen-Make-up aber ein bisschen dezenter, Molly. Bebe möchte mehr Fokus auf die Augenbrauen.«
»Und ich glaube, ich werde Selenas Zöpfe ein wenig tiefer setzen, etwa hier.« Bas deutete auf Ohrhöhe. »Gott weiß, ich liebe dich, Selena, aber du hast nun mal leider Henkeltassen, mit denen man abheben könnte.« Er tätschelte ihr mitfühlend die Schulter.
Cassie musste sich in die Lippen beißen, um nicht laut aufzulachen. Da bemerkte sie, dass Luke sie anstarrte, und brachte ihre Gesichtszüge rasch wieder unter Kontrolle. Zu ihrem Erstaunen grinste er.
»Ach ja, könntest du ihr vielleicht dieselbe Frisur machen wie Cassie auf der Schau?«, sagte Luke zu Bas.
Sofort starrten alle Cassie an. Sie hatte ihre Haare zu einem etwas schief sitzenden, schlaff herunterhängenden Pferdeschwanz zusammengebunden, damit sie ihr nicht ins Gesicht wehten. Man musste schon Fantasie haben, um in diesem Anblick eine Inspiration erkennen zu können.
Selena zog eine Schnute. »Sie war doch nicht in der Schau – als ob das nicht jeder wüsste!«
»Weiß ich doch«, entgegnete Luke. Dass er derjenige gewesen war, der »das Problem« als Erster erkannt hatte, verschwieg er. »Aber Bas hat eine Variante des Themas an ihr ausprobiert, die mir
Weitere Kostenlose Bücher