Ein Geschenk von Tiffany
»Natürlich glaube ich an Schicksal, das tut doch jeder.«
Cassie schaute auf die gelben Taxis, die sich, Stoßstange an Stoßstange, durch die Straßenschluchten schoben. Es war zwei Uhr morgens, aber es hätte ebenso gut zwölf Stunden früher sein können, so geschäftig ging es zu. New York machte seinem Namen als Stadt, die niemals schlief, wirklich alle Ehre. Die Einzigen, die im Bett waren, waren die unter Zehnjährigen. Alles andere war in Partylaune.
»Ich nicht«, sagte sie achselzuckend.
Luke blieb stehen. »Du glaubst nicht, dass es irgendwo jemanden gibt, der zu dir gehört, zu dir allein?«
Cassie schüttelte den Kopf. »Nö.« Sie seufzte, versuchte zu lächeln. »Nicht mehr.«
»Woran glaubst du dann?«
»Jedenfalls nicht an so was wie Schicksal oder Vorsehung, wie immer du es nennen willst. Das ist doch nur Sentimentalität, mit der wir die Entscheidungen, die wir in unserem Leben treffen, zu rechtfertigen versuchen.«
»Ich hätte dich nie für zynisch gehalten.«
»Ich sag ja nicht, dass ich nicht an die Liebe glaube. Ich glaube bloß nicht, dass es eine spezielle Person gibt, mit der man sein Leben verbringen soll. Ich meine, man kann doch mehr als einen oder eine in seinem Leben lieben, oder? Im Grunde ist es bloß eine Frage des Zeitpunkts und der Umstände, wenn wir sagen: Okay, du bist’s, bei dir bleib ich erst mal.«
»Wow«, stieß Luke leise hervor, »ich wette, so hast du vor drei Monaten noch nicht gedacht.«
Cassie wandte den Blick von seiner mitleidigen Miene ab, über die sie sich ärgerte. »Nein, natürlich nicht. Man bleibt doch nicht zehn Jahre lang mit einem Menschen zusammen, wenn man nicht davon überzeugt ist, dass man zu ihm gehört.« Sie lachte höhnisch. »Na ja, Gil hat damit anscheinend keine Probleme gehabt.« Sie stieß langsam den Atem aus und schwieg einen Moment. »Aber schau mich jetzt an: Ich lebe in New York, ich arbeite in der Modebranche, ist das zu fassen? Ich habe eine aufregende Affäre mit einem ebenso berühmten wie berüchtigten Fotografen. Das hätte ich mir vor drei Monaten auch nicht träumen lassen!« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn. »Ich bin der lebende Beweis dafür, dass es so was wie Schicksal nicht gibt.«
Luke zwang sich, trotz der Verlockung ihres Kusses ein wenig zurückzuweichen.
»Aber was ist, wenn dein Leben hier, dein Leben mit mir, dein Schicksal, deine Bestimmung ist? Was, wenn deine Ehe mit Gil ein Irrtum war und ich nur all die Jahre darauf gewartet habe, dass sein Geheimnis auffliegt und dich hierher in meine Arme treibt? Wenn man es so sieht?«
Cassie lachte. »Ein schöner Gedanke.« Sie kicherte. »Aber nein. Du kannst ja nicht mal warten, bis die Badewanne vollgelaufen ist.« Sie kitzelte ihn an der Taille, und er stimmte in ihr Lachen ein.
»Na, ich sag dir eins, auf das ich jetzt wirklich nicht mehr länger warten kann.« Er hob den Arm und winkte ein Taxi herbei. »Ich kann’s nicht mehr erwarten, mit dir ins Bett zu gehen.« Er packte sie bei der Hand und zog sie rennend zu dem wartenden Taxi.
17. Kapitel
Die Türklingel schnarrte beharrlich, wieder und wieder. Cassie und Luke gruben sich tiefer unter die Bettdecke, wollten nichts wissen von einer Welt, die so früh gehört werden wollte wie ein Kind, das um fünf Uhr morgens sein Frühstück verlangte.
Es schnarrte.
»Verdammt, wie spät ist es?«, stöhnte Cassie. Ihr schlanker Arm kam unter der Decke hervor und tastete auf dem Nachttisch nach dem Wecker. Sie waren erst gegen vier Uhr morgens zur Ruhe gekommen – gewisse Dinge hatten sie ziemlich in Anspruch genommen –, aber da sich beide den heutigen Tag freigenommen und nicht die Absicht gehabt hatten, vor dem Zwölfuhrschlag aufzustehen, hatten sie darin kein Problem gesehen. Cassie war sich vage bewusst, dass sie Lukes Torso als Kissen benutzte.
8:42 Uhr.
»Das ist ein Traum, oder?«, murmelte Luke schläfrig. »Ein böser Traum …« Er begann schon wieder zu schnarchen.
Wieder schnarrte es.
»Verdammt noch mal!«, schimpfte Cassie und richtete sich auf. Sie schlug wütend die Decke zurück, und auch Luke sah sich jäh der frischen Luft ausgesetzt.
Er warf einen Arm übers Gesicht, um sich vor dem trüben Licht des verhangenen Novembermorgens zu schützen, machte allerdings sonst keine Anstalten, sich zu rühren. »Achte nicht drauf, die verschwinden schon wieder.«
Die Türklingel schnarrte.
»Jetzt reicht’s mir aber!« Cassie nahm verschwommen die Haustür ins
Weitere Kostenlose Bücher