Ein Geschenk zum Verlieben
gebaut, sondern gleich fünf, für jedes Kind einen. Ein Schneemann-Wettbewerb. Warum nur einen Schneemann, wenn man viele haben konnte? Und danach hatte es noch eine heftige Schneeballschlacht gegeben. Die Kinder hatten sich, gerissen, wie sie waren, zusammengerottet und waren vereint über »Tante« Laura hergefallen, hatten ihr Gesicht und Kragen mit Schnee eingerieben. Als sie sich daraufhin lachend in den Schnee fallen lieÃ, waren die Kinder ihrem Beispiel gefolgt und hatten mit ausgebreiteten Armen und Beinen Schneeengel gemacht.
Joes blauer Traktor kam aus der Scheune um die Ecke gerumpelt. Er stieà die Tür für sie auf, ohne den Motor abzustellen. Das Fahrgehäuse schaukelte auf der starken Federung. Laura zog sich hoch. Erschrocken stellte sie fest, dass es so etwas wie Sitzgurte nicht gab. Joe fuhr los. Der Schneepflug, den er heute früh vorgespannt hatte, war noch am Fahrzeug. Fasziniert verfolgte Laura, wie sich der frisch gefallene Schnee vor ihnen teilte wie das Rote Meer.
»Du bist so schweigsam«, bemerkte Joe nach einer Weile.
»Ja?« Sie starrte geradeaus auf die StraÃe.
»Ja. Immer, wenn ich euch sehe, quasselt ihr ununterbrochen, du und Kitty, als ob ihr euch schon ewig kennt.«
»Ja, aber so ist Kitty doch mit jedem. Sie ist so ein ungeheuer warmherziger, freundlicher Mensch.«
Joe warf ihr einen Seitenblick zu. »Du wärst überrascht.«
Laura schaute ihn an. Das war ja fast so was wie eine Unterhaltung. »Willst du damit sagen, dass Kitty schüchtern ist?«
»Ich will sagen, dass sie nicht so geerdet ist, wie es scheint. Sie gibt zu viel und wird deshalb oft verletzt.«
Laura runzelte die Stirn. War diese Bemerkung auf sie gemünzt? » Ich würde ihr nie wehtun, falls es das ist, was du meinst.«
»Ach nein?« Joe schaute stur geradeaus. Der Traktor fegte die StraÃe entlang durch den Ort. »Das haben ihre anderen Freunde auch gesagt. Und sobald sie etwas erreicht hatten, haben sie sie fallen gelassen wie einen Sack Kartoffeln. Weil sie nicht reich und glamourös genug für sie war. Weil sie nicht in die piekfeinen Kreise passte, in denen sie sich jetzt bewegen.«
»Meinst du Cat?«
»Wen sonst?«
»Sie hat sie ⦠einfach fallen gelassen?« Dass sie sich kaum noch sahen, wusste sie, aber â¦
Joe schaute sie direkt an. »Hast den Nagel auf den Kopf getroffen.«
»Ach, deshalb konntest du mich von Anfang an nicht leiden! Du denkst, ich rühre das alles wieder auf, halte den strahlenden Mythos um Cat am Leben, und dabei hat sie vor allem deine Frau eiskalt sitzen gelassen.«
Joe schwieg eine Zeit lang. »Es bricht mir das Herz, wenn ich sehe, wie sie von dieser Frau schwärmt, als ob sie noch wer weià wie gute Freunde wären. Wie sie die Vergangenheit glorifiziert, dabei schert sich Cat schon seit Jahren nicht mehr um Kit.«
»Aber in Verbier haben sie sich doch gut verstanden.«
»Ja, weil Ihre Hoheit ein Publikum hatte.«
»Also, ich glaube nicht, dass Cat so ist«, widersprach Laura. »Sie hat sich solche Mühe gegeben, mich in ihren Kreis aufzunehmen, dabei hätte sie mich auch einfach links liegen lassen können. Und sie hatte keinen Grund dazu â sie weià ja nichts von der Kette.«
»Dann hat sie einen anderen Grund, sich bei dir anzubiedern. Cat Blake tut nichts, ohne dass was für sie dabei rausspringt. Kitty hat schon vor Jahren ausgedient.«
Laura schwieg. Es hatte keinen Zweck, ihm zu widersprechen. Er kannte Cat seit seiner Kindheit. Wer war sie, ihm zu sagen, dass er sich irrte? Er brauchte keine Vorträge darüber, dass alte Freunde sich nun mal auseinanderleben. Sie warf ihm einen unauffälligen Seitenblick zu. Er hatte an einer Kreuzung angehalten und schaute sich um. Sein Kinn war stolz, ja trotzig vorgestreckt. Auch wenn ihr nicht gefiel, was er über Cat sagte, sie konnte nicht anders, als sich darüber zu freuen, wie er für seine Frau eintrat. Zum ersten Mal begann Laura zu ahnen, was Kitty in ihm sah.
Laura stand an die Wand gelehnt, die zusammengefalteten Hände an den Mund gepresst â teilweise, um nicht lachen zu müssen, teilweise, weil die Szene, die sich vor ihr auf der Bühne abspielte, das Niedlichste war, was sie je in ihrem Leben gesehen hatte. Auf der abgedunkelten Bühne stand eine Schülergruppe aus der Grundschule von Ottersbrook und sang
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