Ein Geschenk zum Verlieben
vierzig Zentimeter hoch liegen. Die Landschaft hatte ihre scharfen Konturen verloren. Vogelbäder lieÃen sich kaum von verschneiten Gartenmöbeln unterscheiden, Autos verschmolzen mit Gartenmauern. Sie musste an ihre Erzfeindin Sugar denken. Wie das Kamel wohl mit dem vielen Schnee zurechtkam? Trotz seiner »groÃen Anpassungsfähigkeit«?
Die alte Fensterscheibe war eisig kalt. Laura trat erschaudernd zurück und suchte bei dem antiken Heizkörper Zuflucht. Er war nur in der rechten oberen Ecke ein wenig warm. Angelehnt an den Wärmespender, begann ihr Hirn allmählich aufzutauen. Ihr erster Gedanke galt dem Scherbenhaufen, der ihr Leben war. Jack. Fee. Heute war Donnerstag. Sie hatten seit drei Tagen keinen Kontakt mehr gehabt, so etwas war noch nie vorgekommen. Schon mehrmals hatte sie sich dabei ertappt, dass sie sich Sorgen um Fee machte, denn diese konnte Stillschweigen am wenigsten ertragen â nur um den Gedanken in der nächsten Sekunde ärgerlich von sich zu schieben. Fee konnte sehr wohl auf sich aufpassen. Und kriegen, was sie wollte. Nein, um Fee musste sie sich weià Gott keine Sorgen machen.
Laura nahm einen langsamen, schmerzhaften Atemzug. Sie hatte noch immer nicht richtig geweint. Allmählich fragte sie sich, ob sie dazu überhaupt noch fähig war. Vielleicht waren Körper und Seele an ihre Schmerzgrenzen gestoÃen.
Sie wusch sich am Waschbecken und zog ihre Sachen von gestern an. Wie sie heute nach Hause kommen sollte, war ihr ein Rätsel. Dolly bräuchte schon die Reifen eines Monstertrucks, um durch diesen Schnee zu kommen.
Als sie nach unten ging, drang Kittys Stimme aus der Küche.
»Ich hab nichts Gegenteiliges gehört, weder per E-Mail noch per Telefon. Also nehme ich an, dass der Schulunterricht stattfindet. Ich muss eben sehen, wie ich mit den Kindern dorthin komme.« Kitty stellte seufzend eine Kanne Tee und eine Platte mit gebratenen Würstchen, Speck und Baked Beans auf den Tisch. In einer anderen Schüssel gab es Rührei. Als Laura im Türrahmen erschien, blickte sie auf. »Ah, du kommst gerade recht. Setz dich ⦠Die Kinder wollen sicher im Schlitten zur Schule. Ich kann sie ja ziehen.«
»Nein, das wirst du nicht, Kit«, entgegnete Joe streng von seinem hochlehnigen Stuhl aus. Er grüÃte Laura zwar nicht, machte bei ihrem Anblick aber auch kein finsteres Gesicht. Für ihn wahrscheinlich ein Riesenfortschritt in Richtung eines freundschaftlichen Verhältnisses. »Sie sind zu schwer, du kannst sie nicht mehr alle ziehen, du machst dir nur wieder den Rücken kaputt. Ich würde sie ja selbst hinbringen, aber ich muss zum Schneeräumen.«
Kitty warf Laura einen Blick zu. »Die Kreisverwaltung hat angerufen, sie möchten, dass Joe mit seinem Traktor die OrtsstraÃen räumt. Was für ein Glück! Wir können das Geld gebrauchen, vor allem jetzt, so kurz vor Weihnachten, stimmtâs, Joe?«
Joe grummelte abweisend. Laura verstand ihn mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass er einen Horror davor hatte, vor Fremden über Geld zu reden. »Versuche nicht, vom Thema abzulenken. Du darfst sie nicht ziehen.«
»Hm, hast ja recht.« Kitty begann ihre Wurst in kleine Stücke zu schneiden, den Blick geflissentlich auf den Teller gerichtet.
»Kit!«, sagte Joe warnend. »Ich meine es ernst.«
Kitty seufzte und hörte auf, an ihrer Wurst herumzuschneiden. Sie hob den Kopf und schaute ihrem Mann in die Augen. »Gut, ich versprechâs.«
Laura wandte hastig den Blick von den beiden ab, sie kam sich vor wie ein Eindringling. Verlegen griff sie zur Kanne und schenkte sich eine Tasse Tee ein.
Joe nahm sich noch etwas gebratenen Schinkenspeck.
»Na, ich könnte ja helfen«, schlug Laura vor, nachdem sie eine Minute lang den Kaugeräuschen der versammelten Familie zugehört hatte, die Hände an ihrer Teetasse wärmend.
»Dafür bist du nicht angezogen«, widersprach Kitty.
»Was redest du da, Weib?«, knurrte Joe. »Du hast doch genug Jacken und Anoraks. Kannst ihr doch was leihen.« Er warf Laura einen Blick zu. »Soll sie sich doch nützlich machen. Die StraÃen sind unpassierbar, die Züge fahren nicht. Du wirst heute Nacht schon noch mal bei uns bleiben müssen.«
Das war die unfreundlichste Einladung, die Laura je bekommen hatte.
»Danke«, sagte sie würdevoll.
Kitty strich selbstgemachte
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