Ein Geschenk zum Verlieben
WohnstraÃen, die in bauchigen Sackgassen endeten. Der Dorfladen befand sich in einem ganz normalen Wohnhaus und war eigentlich nur an der Rollstuhlrampe zu erkennen, an deren Geländer zwei junge, etwa zwölf- bis dreizehnjährige Mädchen lehnten, jede mit einem roten Lolli in der Hand, den sie eifrig in eine Tüte mit weiÃem Brausepulver tauchten, abschleckten und wieder eintauchten: ein sogenannter »Sherbet Dip Dab«, wie Laura sich nostalgisch erinnerte.
Gehsteige schien es nicht zu geben, die Vorgärten und Wiesen im Ortskern reichten direkt bis an die StraÃe heran. Ãberall standen sorglos über Nacht drauÃen gelassene Fahrräder herum, dazwischen lag Plastikspielzeug verstreut. Hier passten die Nachbarn offenbar noch gut auf.
Laura warf einen Blick auf die Wegbeschreibung in Fees kindlich-runder Handschrift â Herzchen anstatt i-Tüpfelchen und Goldglitterstift. Fee war erst dreiundzwanzig, und manchmal machte sich der Altersunterschied von neun Jahren deutlich bemerkbar.
»Am Dorfladen vorbei â¦Â« , murmelte sie. »Erledigt. Folge der StraÃe bis zum Ende, dann in den Feldweg einbiegen ⦠« O nein, Dolly, die Ente, schaffte es ja nicht mal über Kies. »Letztes Haus auf der linken Seite. Achtung, Kamel â¦Â« Kamel? Was fiel Fee ein, sie zu beschimpfen? Die würde sie sich später vornehmen!
Dolly holperte über den unebenen Weg, Radlänge für Radlänge, wie ein Soldat in der Grundausbildung, der durchs Trainingsgelände robbt. »Kamel, also wirklich! Oder meint sie etwa, dass es hier Kamele gibt?« Sie lachte. »In Surrey? Hier gibtâs ja nicht mal Hunde, die nicht reinrassig sind, geschweige denn Kamele!«
In diesem Moment tauchte hinter einer Hecke ein langes, braunes, pelziges Gesicht auf und spuckte an ihre Seitenscheibe.
»Mein Gott!!«, kreischte sie und trat so hart auf die Bremse, dass Dolly ins Schlingern geriet und mit dem linken Vorderrad und dem rechten Hinterrad prompt in einem Schlagloch landete. Mit dem Unterbau küsste sie nun praktisch den schlammigen Feldweg. Die Hände ums Lenkrad gekrallt, starrte Laura einen Moment lang fassungslos ins Leere. War das wirklich ein � Sie stieg aus, lehnte einen Arm aufs Wagendach, stellte einen Fuà aufs Trittbrett und starrte zur Hecke. Etwas starrte zurück. Ja, es war tatsächlich ein Kamel. Ein genüsslich kauendes Kamel. Ein widerlich kauendes Kamel, mit einer Art schwarzem, schaumigem Speichel im Mundwinkel.
Gleichgültig starrte es sie an, ohne eine Spur von einem schlechten Gewissen über den zähen Klobber, der jetzt an ihrer Seitenscheibe herunterlief. Wie rächte man sich an einem Kamel? Aber Laura hatte keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, denn in diesem Moment rief jemand vom Haus: »Das ist Sugar!«
Laura schaute übers Gatter. Eine junge Frau mit rosigen Wangen, runden blauen Augen und wilden schwarzen Locken, unordentlich auf dem Kopf aufgetürmt, kam über den Gartenweg auf sie zu. Auf ihrer Hüfte saà ein kleines Kind mit einem orangefarbenen Gesicht, das aussah, als ob seine Manieren nicht besser waren als die des Kamels. Neben ihnen her watschelte eine kleine weiÃe Ente.
»Sugar, wie Zucker, verstehen Sie?«, fragte sie strahlend. »Ein Höcker oder zwei?«
Sie keckerte so herzhaft, als erzählte sie diesen Witz zum ersten Mal. Laura konnte nur verwundert nicken.
»Sugar ist der beste Wegweiser. Alle greifen auf sie zurück â âºzweite StraÃe links, nach dem Kamelâ¹Â â, so nach dem Motto.« Laura starrte sie noch immer fassungslos an. Die junge Frau sprach mit der Geschwindigkeit einer ratternden Nähmaschine. »Und sie ist ein ausgezeichneter Wachhund. Spuckt allerdings gern â wie Sie wahrscheinlich gemerkt haben. Ich hab Ihren Aufschrei bis hinten in die Küche gehört. An ihr wagt sich kaum noch jemand vorbei. Musste unseren Briefkasten hundert Meter weiter vorne aufstellen, der Briefträger hatte es einfach satt.« Sie schlug sich mit der freien Hand an die Stirn. »Ach, hätte ich bloà dran gedacht! Dann hätte ich Ihrer Sekretärin gesagt, dass Sie im Vorbeifahren die Post mitbringen könnten. Na ja, was sollâs, jetzt sind Sie schon hier.« Ihr Blick fiel auf die gestrandete, schiefe Dolly. Sie zuckte grinsend mit den Achseln. »Ich bin übrigens Kitty.« Sie riss das
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