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Ein Geschenk zum Verlieben

Ein Geschenk zum Verlieben

Titel: Ein Geschenk zum Verlieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Swan
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größerem Interesse: eine Woche Strafarbeiten dafür, dass sie in der sechsten Klasse in den Halbsemesterferien im Teppich des Lehrerzimmers Kresse gepflanzt hatten. Oder dem Erdkundelehrer eine Banane in den Auspuff gesteckt und zugesehen hatten, wie er, eine schwarze Auspufffahne hinter sich herziehend, ächzend davongetuckert war.
    Kitty hatte Geschichten über ihr ausgeschüttet wie Frau Holle ihre Kissen – die einzelnen Eskapaden der beiden Mädchen, zusammengebunden zu einem dicken Strang wie ein Rapunzelzopf. Lauras Kopf schwirrte von den Farben und Stimmungen der Erinnerungen, während sie die Autobahn M25 entlangfuhr wie eine Rentnerin mit angezogener Handbremse. Als sie den Wagen endlich in der kleinen Garage hinter dem Haus verstaute, war die Sonne längst am wässrigen Horizont untergegangen. Sie schloss den Wagen ab und lief rasch den Plattenweg entlang durch den Garten, wobei sie den zugefrorenen Pfützen auswich, die sich angesammelt hatten. Sie wusste, dass Jack in der Küche auf sie warten, das Badewasser eingelassen sein und das Essen bereitstehen würde.
    Der Mond stand voll und tief über dem Wasser und tauchte die Bucht in ein bleiches Licht. Diesmal jedoch war Lauras Blick nicht in die Ferne gerichtet, sondern auf die Fensterscheibe vor ihr. Sie verfolgte das langsame Herabrinnen der Kondensationstropfen, zählte sie, meditativ, als würde sie einen Rosenkranz beten.
    Auf der Außenscheibe bildete sich der erste Frost. Frierend wickelte sie sich fester in ihre Strickjacke. Sie warf einen Blick über ihre Schulter, auf den schlafenden Jack – seine Gesichtszüge waren erschlafft, aber immer noch ausgesprochen hübsch. Er schlief immer so tief und friedlich. Er hatte die Decke ein wenig weggestrampelt, ein Bein schaute hervor. Er atmete leise, fast unhörbar. Selbst im Schlaf war er noch rücksichtsvoll.
    Dann glitt ihr Blick durchs Zimmer – wie immer zuallererst zu der polierten Walnussholz-Schachtel auf dem Kaminsims, dann zum Stuhl, über dem ihre Kleider fein säuberlich gefaltet lagen. Keine Schublade war achtlos hervorgezogen, die Wassergläser waren, wie immer vor dem Schlafengehen, frisch aufgefüllt worden, alles war ordentlich und sauber. Das perfekte Leben, um das Fee sie so beneidete. Warum konnte sie sich dann nicht daran freuen? Warum nicht dankbar sein, so, wie sie sollte? Jack war Mr Poppins, wie Fee immer behauptete – in fast jeder Beziehung perfekt. Mehr konnte man gar nicht verlangen. Mehr sollte man auch nicht verlangen. Und trotzdem lag sie jede Nacht, nachdem er eingeschlafen war, im Dunkeln und kämpfte gegen die Verzweiflung an, die sie zu überwältigen, zu ersticken drohte.
    Sie hatte seinen Gesichtsausdruck durchaus bemerkt, als sie vor einer Stunde mal wieder schweißgebadet aus dem Schlaf geschreckt war – und natürlich auch ihn aufgeweckt hatte. Schon wieder? , schien er zu sagen, erschöpft, irritiert. Sie konnte es ihm nicht vorwerfen. Welchem Mann gefiel es schon, eine Freundin zu haben, die das Essen kaum herunterbekam, auch wenn es noch so liebevoll für sie gekocht war, die sich jedes Lächeln abringen musste, die fast jedes Mal weinte, wenn sie sich liebten, und die schreiend aus dem Schlaf fuhr, sobald sie zu träumen anfing.
    Sie wandte sich wieder zum Mond um, ihrem alten Gefährten, lehnte den Kopf nachdenklich an den Fensterrahmen. Wie viele Nächte hatte sie schon hier gestanden und hinausgeschaut? Nacht für Nacht, während er schlanker wurde und dann wieder zunahm und an der Tide zog, die auch ihr Leben bestimmte. Er zeigte ihr, dass das Leben in Kreisläufen verlief: Was du verloren hast, wirst du im Laufe der Zeit wiederbekommen, schien er ihr zu sagen. Aber sie glaubte nicht daran, egal wie oft sie seinen Lauf übers nächtliche Himmelszelt verfolgte. Was verloren war, war unwiederbringlich verloren.
    Außer das jetzt … jetzt war sie in einem neuen Kreislauf. Einem, den sie sich nie gewünscht hatte, den sie nicht wollte. Das war es, was sie diesmal aus dem Schlaf hatte schrecken lassen. Sie war zwölf Tage überfällig. Zwölf Tage. Wie hatte das geschehen können? Sie waren doch immer so vorsichtig – sie bestand darauf, und Jack, der liebe Jack, wusste es besser, als sie zu drängen.
    Aber diesmal würde er sie drängen. Falls er es erführe.
    Falls.

9. Kapitel
    L aura umklammerte ihre

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